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Maria Höfl-Riesch über Rückschläge und Jahrhundertalente

Maria Höfl-Riesch hat ihr bereits drittes Buch auf den Markt gebracht
Maria Höfl-Riesch hat ihr bereits drittes Buch auf den Markt gebracht
Foto: © imago sportfotodienst
18. Januar 2017, 09:48
sport.de
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Maria Höfl-Riesch ist mit drei Olympischen Goldmdaillen und 27 Weltcupsiegen die erfolgreichste deutsche alpine Skisportlerin der letzten Jahre.

Mit sport.de sprach die 2014 zurückgetretene zweifache Weltmeisterin exklusiv über die Zeit seit ihrem Rücktritt 2014, ihre Einschätzung zur laufenden Weltcupsaison sowie Ihr neues Buch "Maria macht dich fit" und ihren Job als TV-Expertin.

Frau Höfl-Riesch, in Ihrer aktiven Zeit waren die Sommermonate vor allem von hartem Training und der Weltcup-Vorbereitung geprägt. Berichten Sie uns einmal, wie Ihre Sommermonate seit 2014 aussehen.

Auf jeden Fall deutlich weniger anstrengend. Mein Mann und ich haben uns am Gardasee ein Haus gebaut und versuchen, gerade über den Sommer, dort möglichst viel Zeit zu verbringen. Das heißt nicht, dass wir nur Urlaub machen, man kann dort auch gut arbeiten. Es gibt vier Flughäfen in der Nähe, sodass man auch schnell mal zu Terminen fliegen kann. Ansonsten reise ich nach wie vor viel, meistens beruflich.

Der Weltcup der Damen wird in diesem Winter erneut von Slalom-Königin Mikaela Shiffrin dominiert. Wie bewerten Sie die Leistungen des 21-jährigen Youngsters?

Sie ist eine Klasse für sich, ein Jahrhunderttalent. Es gibt an normalen Tagen niemanden, der sie schlagen kann, nur sie selbst, indem sie ausscheidet, was selten vorkommt.

Die Zeiten der Amerikanerin sind dabei in schöner Regelmäßigkeit in einer ganz eigenen Liga. Was macht bei Shiffrin derzeit den Unterschied aus?

Bei ihr stimmt einfach das Gesamtpaket, es kommt praktisch alles Gute zusammen: Trotz ihres jungen Alters besitzt sie schon eine gewisse Reife, hat eine sehr gute Physis und dazu auch noch den Willen, sich ständig weiterzuentwickeln.

Nach langen Verletzungspausen kehren mit Lindsey Vonn und Anna Veith aktuell zwei der größten Stars der  Szene wieder auf die Piste zurück. Sie sind leider ebenfalls nicht von schweren Verletzungen verschont  geblieben. Wie groß ist die mentale Herausforderung eines solchen Comebacks?

Ich bin gespannt, wie Lindsey und Anna die Folgen ihrer Verletzungen wegstecken werden. Lindsey hat in der  Vergangenheit bewiesen, dass sie eine Kämpferin ist und ihr solche Rückschläge mental nicht viel auszumachen scheinen. Für Anna ist die Situation neu, zumal ihre Verletzung heftig war. Mich hatte es 2005 böse erwischt: zwei Kreuzbandrisse innerhalb eines Jahres. Nach dem zweiten wusste ich lange nicht, ob ich jemals wieder Skifahren  kann. Aber ich habe mich zurückgekämpft und danach meine größten Erfolge errungen, den Sieg im Gesamtweltcup, dreimal Olympiagold, zwei WM-Titel.

Aber ich bin nach den Verletzungen nie wieder so unbekümmert gefahren wie davor. Besonders bei schlechten Bedingungen, schlechter Sicht oder schwierigen Pistenverhältnissen, habe ich manchmal die Handbremse angezogen – eben weil im Hinterkopf die Angst vor einer schlimmen Verletzung mitfuhr. Ein böser Sturz und alles hätte vorbei sein können.

Was trauen Sie Ihren ehemals größten Konkurrentinnen noch zu in diesem Winter?

Das ist schwer zu sagen. Lindsey hat schon eine gewisse Routine, was es heißt, nach Verletzungspausen  zurückzukommen. Das ist ein großer Vorteil. Wobei sie in den Speed-Disziplinen sicherlich bessere Chancen hat, weil man da nicht so viel Training braucht wie im Slalom und Riesenslalom. Anna sagte nach ihrem Comeback am  Semmering ja selbst, dass es für sie schwierig war, sich zu überwinden, volles Risiko zu gehen.

Die beste deutsche Ski-Rennfahrerin Viktoria Rebensburg durchlebt bislang einen durchwachsenen Winter. Nach Ihrer Knieverletzung steht in dieser Saison bisher ein Podestplatz zu Buche. Was trauen Sie Rebensburg in den kommenden Wochen noch zu?

Vicky ist noch nicht alles gelungen, aber sie hat in einzelnen Läufen gezeigt, was in ihr steckt. Zum Beispiel im zweiten Lauf am Semmering. Die meisten scheiterten an der äußerst schwierigen Piste, aber sie kam sehr gut herunter, das war richtig stark. Ich traue ihr zu, in St. Moritz um eine Medaille mitzufahren. Bei Großereignissen war sie bisher fast immer topfit, egal wie die Saison ansonsten gelaufen war.

In der Breite sind die DSV-Damen nicht schlecht aufgestellt, aber was absolute Top-Ergebnisse angeht, ruhen  die Hoffnungen aktuell nur auf den Schultern von Rebensburg. Eine besondere Motivation oder hemmt der Druck die 27-Jährige?

Ich kann mich an diese Situation gut erinnern, das war ja bei mir jahrelang so. Aber auch Vicky kennt das inzwischen und kann damit ganz gut umgehen. Natürlich ist Druck da, aber davon muss man sich irgendwie freimachen. Am besten gelingt das, wenn man sich ganz auf sich selbst konzentriert und an sich glaubt.

Bei der Junioren-WM vor einem Jahr schnappte sich der DSV immerhin drei Medaillen, Elisabeth Willibald sicherte sich im Slalom sogar den Titel. Was dürfen wir von der jungen Garde erwarten und wen schätzen Sie am höchsten ein?

Das junge Slalom-Team hat sicher Potential. Elisabeth Willibald, Maren Wiesler und Marina Wallner haben ja auch schon einzelne gute Läufe gezeigt. Insgesamt fehlt noch etwas die Konstanz und auch die Stabilität in der Fahrweise. Die Mädels müssen einfach dranbleiben und weiter hart an sich arbeiten, vor allem auch im Sommer, um körperlich auf ein noch höheres Level zu kommen. Dann können wir hoffentlich in absehbarer Zeit wieder mehr Spitzenresultate erwarten.

Mit Christina Geiger hat in Flachau erst die dritte deutsche Athletin die Norm für die WM in St. Moritz gemeistert. Hinkt der DSV seinen eigenen Ansprüchen hinterher?

Der DSV hat als Ziel drei Medaillen ausgegeben. Das ist ambitioniert, muss aber nicht unrealistisch sein. Felix [Neureuther, Anm. d. Red.] gehört für mich zu den Medaillenkandidaten, ebenso Vicky, und dann wird man auf einen  Podestplatz im Teamwettbewerb hoffen. Und wer weiß, vielleicht überraschen Josef Ferstl oder Andy Sander in den  Speed-Disziplinen, das Zeug dazu hätten sie. Oder auch Stefan Luitz, wenn er zwei Läufe optimal ins Ziel bekommt.

Uns interessiert Ihr Experten-Tipp: Wie wird die alpine Ski-WM in St. Moritz Anfang Februar insgesamt verlaufen? Mit welchen Resultaten rechnen Sie? Wer sind die größten Favoriten?

Da sind natürlich zuerst die Top-Fahrer zu nennen, die bisher den Weltcup dominiert haben. Bei den Herren in den technischen Disziplinen vor allem Marcel Hirscher, Alexis Pinturault und Henrik Kristoffersen. Bei den Damen Mikaela Shiffrin. Im Riesenslalom ist es spannender, weil einige mithalten können, zum Beispiel Viktoria Rebensburg, Tessa Worley oder Lara Gut. In den Speeddisziplinen ist es schwieriger vorherzusagen, auch wenn bei den Herren die Norweger extrem gut in Form sind.

Bei den Herren zeigte die Formkurve von Felix Neureuther zuletzt endlich nach oben. Wie bewerten Sie die Leistungen des besten deutschen Skirennfahrers der letzten Jahre in dieser Saison?
Er hat seine eigenen Erwartungen noch nicht erfüllt, aber das weiß er selbst am besten. Er fährt gut, aber häufig fehlt noch der letzte kleine Tick, um ganz vorn zu landen. Allerdings hat er mit Marcel Hirscher, Henrik Kristoffersen und Alexis Pinturault auch eine gewaltige Konkurrenz. Um gegen die zu gewinnen, muss schon alles passen.

Sie sind derzeit viel unterwegs, um Ihr neues Buch "Maria macht dich fit" zu promoten. Worum geht es darin?

Das Buch basiert auf meinem Fitnesskonzept "BE.YOU.", das ich zusammen mit einem meiner ehemaligen Trainer  entwickelt habe. Neben einem biografischen Teil mit Schwerpunkt Motivation habe ich ein Trainingsprogramm zusammengestellt - für Anfänger und für Fortgeschrittene, jeweils für vier Wochen, sozusagen als Einstieg, um die Übungen zu erlernen und den Sport in seinen Alltag zu integrieren. Das Training lässt sich ganz individuell gestalten und ohne großen Aufwand praktisch überall umsetzen. Man sollte nach den vier Wochen aber unbedingt weitermachen.

Wie gefällt Ihnen Ihr zweites Standbein als Buchautorin und Fitnesscoach bisher?

Mit dem Thema Fitness beschäftige ich mich ja schon länger. Im Grunde ist es eine Fortführung des Trainings während meiner Karriere als Skirennläuferin. Dabei habe ich vor allem den individuellen Ansatz übernommen, den ich in meiner letzten aktiven Saison konsequent umgesetzt habe und der mich zu meinem dritten Olympiagold geführt hat. Viele Übungen von damals finden sich in dem Fitnessprogramm wieder, nur dass wir sie für den Alltagsgebrauch angepasst haben. [Alle weiteren Infos zum Buch unter www.mariamachtdichfit.de]

Darüber hinaus sind Sie auch in diesem Winter wieder als TV-Expertin hautnah an den Rennpisten der alpinen Skiwelt dabei. Wie viel Zeit nimmt der alpine Skiweltcup in Ihrem alltäglichen Leben noch ein?

Bei den meisten Rennen, die von der "ARD" übertragen werden, bin ich selbst vor Ort und fiebere mit, vor allem natürlich mit dem deutschen Team. Dann treffe ich auch Athleten und einige meiner ehemaligen Trainer, sodass ich immer gut informiert bin. Die anderen Rennen verfolge ich entweder im Fernsehen, oder – wenn ich unterwegs bin – per Livestream oder Liveticker. Ich versuche, nichts zu verpassen, weil ich es immer noch sehr spannend finde. Allerdings bin ich froh, dass ich nicht mehr selbst auf die Piste muss.

ZUR PERSON: Maria Höfl Riesch wurde am 24. November 1984 in Garmisch-Partenkirchen geboren und fuhr seit 2001 im alpinen Skiweltcup mit. In 13 aktiven Karrierejahren sammelte sie alle großen Titel, vom Gesamtweltcup bis hin zu drei Olympischen Goldmedaillen. Seit 2014 arbeitet sie als TV-Expertin am Rande der Skipisten, außerdem hat sie bereits drei Bücher veröffentlicht.

Das Interview führten Marc Affeldt und Mats-Yannick Roth

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