Die russischen Biathleten werden mal wieder von Dopinganschuldigungen heimgesucht. Aktive anderer Nationen haben ein ungutes Gefühl - doch sie fordern vor einer Verurteilung erst stichhaltige Beweise.
Wenn Biathlet Arnd Peiffer in diesen Tagen seinen russischen Kollegen über den Weg läuft, ist er hin und hergerissen. "Ich weiß auch nicht, wie ich mich nun verhalten soll. Es ist ja noch nichts bewiesen", sagt der frühere Sprint-Weltmeister - und stellt gleichzeitig allerdings fest: "Man hat jetzt schon etwas im Hinterkopf."
31 Biathleten sowie weitere Skilangläufer gehören zu den dopingverdächtigen Athleten aus Russland, die Ermittler Richard McLaren in seinen Untersuchungen zum Doping-Skandal belastet. Dies hatten der Ski-Weltverband FIS und die Internationale Biathlon-Union bestätigt. Auf den russischen Biathleten liegt damit schon wieder ein dunkler Schatten.
Der viermalige Olympiasieger und zwölfmalige Weltmeister Emil Hegle Svendsen war nach Bekanntwerden der Zahl geschockt. Der Zeitung "Verdens Gang" sagte der Norweger: "31 Athleten. Das sind verdammt viele. Es ist schlimmer als wir befürchtet haben. Das ist ein schwerer Schlag für den Biathlonsport."
Höchststrafe für Russland
Im Zuge des bislang letzten großen Dopingfalls im Lager der Skijäger war der russische Verband RBU wegen drei Fällen in der Saison 2013/14 zur Höchststrafe von 100.000 Euro verurteilt worden. Damals waren Ekaterina Iourieva, Irina Starykh und Alexandr Loginov überführt worden. Wiederholungstäterin Iourieva wurde im vorvergangenen Juni für acht Jahre gesperrt, Starykh und Loginov jeweils für zwei Jahre.
Der russische Verband war bereits 2009 wegen Verstößen gegen die Anti-Doping-Bestimmungen mit einer Strafe von 50.000 Euro belegt worden. Peiffer, der den McLaren-Bericht zumindest angelesen haben will, sprach nun zwar von "einer Menge Indizien" wie beispielsweise angekratzten Dopingproben. "Es ist aber eben ein juristisches Problem, wenn keine Fakten vorliegen."
Schöne Bescherung
Um sich beim Umgang mit der heiklen Thematik ganz sicher zu sein, hat die IBU eine fünfköpfige Expertengruppe gegründet, die sich der Fälle annehmen und den Weltverband beraten soll. Der Bericht der Experten wird der IBU am 22. Dezember vorgelegt, den Russen droht pünktlich vor dem Weihnachtsfest also eine "schöne Bescherung".
Die IBU könnte dann zügig Sanktionen verhängen. Diese könnten weitreichende Folgen haben, wie etwa den Entzug der Junioren-WM im Februar in Ostrow sowie des Weltcups im März in Tjumen. Die WM 2021, ebenfalls in Tjumen, sei hingegen noch kein Thema. "Das ist ein Fall für den IBU-Kongress im nächsten Jahr", sagte der norwegische IBU-Präsident Anders Besseberg.
Peiffer forderte unterdessen rasche Aktionen gegen möglicherweise gedopte Athleten - wohl auch, weil dann mit einigen Jahren Verspätung sein olympisches Staffel-Silber von Sotschi vergoldet werden könnte. Das DSV-Quartett hatte sich 2014 nur den Russen geschlagen geben müssen. Peiffer meinte allerdings in der "ARD": "In der Staffel in Sotschi haben alle im Rahmen ihrer Möglichkeiten eine gute Leistung gezeigt."
Kein Generalverdacht?
Der Russe Anton Shipulin war damals Schlussläufer. Der 29-Jährige landete am Donnerstag dank einer starken Leistung beim Sprint von Nove Mesto hinter dem Franzosen Martin Fourcade auf Rang zwei. Einen Generalverdacht gab es nicht. "Als erstes möchte ich die Beweise sehen, die Fakten", sagte Fourcade. Frauen-Bundestrainer Gerald Hönig meinte: "Mit einer Vorverurteilung oder einem Rundumschlag wäre ich ganz vorsichtig."
Einer, der sich sowohl im Biathlon als auch in Russland bestens auskennt, ist Wolfgang Pichler. Der aktuelle schwedische Trainer war einst für die Russen zuständig, er bezeichnet die Ereignisse als einen "Angriff auf den Sport". Und was auch immer bei all den Ermittlungen herauskommen wird: "Zur Tagesordnung kann man nicht mehr übergehen."