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IOC geht mit Whistleblowern auf Kuschelkurs

Yuliya Stepanova und ihr Mann bekommen Unterstützung vom IOC
Yuliya Stepanova und ihr Mann bekommen Unterstützung vom IOC
Foto: © imago sportfotodienst
24. Oktober 2016, 15:04

IOC-Boss Thomas Bach hat Yuliya Stepanova und deren Mann Vitali bei einem gemeinsamen Treffen konkrete Unterstützung zugesagt. Kritik von den russischen Whistleblowern hat der deutsche IOC-Präsident nun vorerst nicht mehr zu erwarten.

Vergiftetes Geschenk oder ernst gemeinter Schulterschluss? IOC-Präsident Thomas Bach geht auf Kuschelkurs zu Yuliya Stepanova und Vitali Stepanov und hat dem weltbekannten russischen Whistleblower-Paar bei einem gemeinsamen Treffen konkrete Unterstützung zugesagt: Mittelstreckenläuferin Stepanova erhält ein Stipendium, Stepanov wird Anti-Doping-Berater des IOC.

Die Frage ist, wieviel Kalkül in dieser Allianz steckt. Vor allem die Ausbootung Stepanovas für die Olympischen Spiele in Rio hatte weltweit außerhalb Russlands für Entrüstung gesorgt und das IOC in eine Glaubwürdigkeitskrise gestürzt.

Die Stepanovs, die während der Olympischen Spiele das IOC noch an den Pranger gestellt und zuvor monatelang nichts von Bach gehört hatten, wurden vom deutschen Herrn der Ringe nun jedenfalls überzeugt. Das Paar zeigte sich glücklich und erleichtert über die Ergebnisse des Treffens.

"Echter Wunsch" des IOC

"Wir sind sehr froh, dass wir jetzt in der Lage sind, Doping weiter zu bekämpfen und unsere Erfahrungen in Russland und als Whistleblower mit einzubringen", sagte Stepanov dem Branchendienst "insidethegames.biz", der zuerst über das Treffen berichtet hatte: "Wir sind sehr dankbar, dass das IOC uns diese Gelegenheit gibt."

Er fügte hinzu, dass er den Eindruck habe, es sei ein "echter Wunsch" des IOC, ihm und seiner Frau zu helfen und "Julias Karriere als saubere Athletin zu unterstützen". Ein IOC-Sprecher bestätigte, dass das Treffen bereits im September stattgefunden habe. Stepanova erhalte "finanzielle und sonstige Unterstützung, damit sie ihre sportliche Karriere fortsetzen und möglicherweise einem Nationalen Olympischen Komitee beitreten kann".

Die Ringe-Organisation hatte Stepanova (30) am 24. Juli, knapp zwei Wochen vor der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele, das Startrecht für Rio verweigert, da sie als ehemalige Dopingsünderin "nicht die ethischen Anforderungen" für einen Start erfüllt habe. Neben einer Einladung an die Stepanows, als Besucher der Spiele nach Rio zu kommen, sagte das IOC der Athletin bereits damals Unterstützung in Form des nun festgeschnürten Stipendiums zu.

Von der Entscheidung des Internationalen Sportgerichtshofes CAS kurz vor den Spielen, eine generelle Rio-Sperre aller russischen Sportler mit Dopingvergangenheit durch das IOC zu kippen, profitierte Stepanova nicht, da sie als "neutrale Athletin" keinen Anspruch auf einen Start hatte. Die IOC-Bosse, so hieß es stets, hätten sich nur nach einer entsprechenden Empfehlung der eigenen Ethikkommission gerichtet.

Kehrtwende

Das IOC hatte sich weltweit den Vorwurf gefallen lassen müssen, mit der Ausbootung der Leichtathletin Russland die peinliche Anwesenheit Stepanovas in Rio ersparen zu wollen und dem Anti-Doping-Kampf gewaltigen Schaden zugefügt zu haben. Während der olympischen Wettkämpfe hatten sich Stepanova und ihr Ehemann, der als ehemaliger Mitarbeiter der russischen Anti-Doping-Behörde bei der Aufdeckung des Staatsdopingsystems im größten Land der Welt beteiligt gewesen war, in einer dramatischen Videokonferenz an die Öffentlichkeit gewandt und das IOC noch scharf kritisiert.

Stepanova, die mit ihrer Familie in die USA geflüchtet war und dort an einem unbekannten Ort lebt, sagte damals: "Wenn uns etwas passiert, sollten alle wissen, dass dies kein Unfall ist." Vitali Stepanov meinte, er und seine Frau hätten nie damit gerechnet, dass sich "das IOC an die Seite der korrupten russischen Funktionäre stellt". Nun die Kehrtwende, die Fragen aufwirft.

"Wenn das IOC diese Schritte ernst meint, sind sie zu begrüßen. Nach allem, was in den vergangenen Monaten passiert ist, kann man aber auch getrost davon ausgehen, dass Thomas Bach die Chance wahrgenommen hat, die Stepanovs ans Gängelband zu nehmen", sagte der Nürnberger Doping-Experte Fritz Sörgel dem "SID".

Es werde sich zeigen, so Sörgel, ob der IOC-Präsident es "ernst meint oder die Stepanovs, eine verzweifelte Familie, die von irgendetwas leben muss, nur mit einem vergifteten Geschenk gekauft hat". Ohnehin, ergänzte Sörgel, wäre "eine Entschuldigung des IOC der notwendige erste Schritt und ein enorm wichtiges Zeichen für alle Whistleblower und für den Anti-Doping-Kampf gewesen".

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