Die deutsche Meisterschaft in der Handball-Bundesliga der Frauen dürfte in diesem Jahr in einem Vierkampf entschieden werden. Titelverteidiger Thüringer HC, die TuS Metzingen, der HC Leipzig - und vor allem die SG BBM Bietigheim sind die Favoriten.
Der große Favorit der vergangenen fünf Jahre will von einer Favoritenrolle überhaupt nichts wissen. "Wir sind nur das kleine gallische Dorf im Kampf gegen die mächtigen Römer", sagt Herbert Müller, Trainer des sechsmaligen deutschen Meisters Thüringer HC, vor dem Saisonauftakt in der Bundesliga. Nun ist Müller zum einen ein Fuchs und zum anderen fast so etwas wie der Erfinder der Tiefstapelei - das kleine gallische Dorf hat die Römer bekanntlich Woche für Woche der Lächerlichkeit preisgegeben.
Der Blick auf die 14 Erstligisten bestätigt Müller allerdings zunächst einmal in seiner Zurückhaltung. Der Kader des THC ist mit 13 Feldspielerinnen und zwei Torfrauen deutlich kleiner als in den vergangenen Jahren, die Konkurrenz hat da teilweise erheblich mehr zu bieten. Allen voran die personell hochgerüstete SG BBM Bietigheim mit der Erfahrung von insgesamt 949 Länderspielen aus sechs Nationen. "Bietigheim kann nur an der eigenen Arroganz scheitern", sagt Müller, und Renate Wolf, Trainerin des Bundesliga-Rekordmeisters Bayer Leverkusen, geht sogar noch einen Schritt weiter: "Bietigheim müsste mit diesem Kader eigentlich ohne Verlustpunkt Meister werden."
Bietigheim hortet Nationalspielerinnen
Nun ist aber auch Bietigheims Trainer Martin Albertsen keiner, der sich durch derlei Aussagen unter Druck setzen lässt. "So viele Unwägbarkeiten" müsse man im Verlauf einer Saison beachten, "so viele Verletzungen" könnten einer Mannschaft das Leben schwer machen, "so viele Überraschungen" habe es in den vergangenen Jahren in der HBF gegeben. So viele Nationalspielerinnen allerdings, wie sie Bietigheim dank eines potenten Großsponsors in dieser Saison auf die Platte bringt, hat in der HBF wohl kaum ein Verein jemals im Kader gehabt.
So konkurrenzlos, wie Herbert Müller und Renate Wolf es formulieren, dürfte Bietigheim dennoch nicht sein. Die TuS Metzingen mit ihrer überragenden Spielgestalterin Anna Loerper und Pokalsieger HC Leipzig mit seinem nominell kaum zu toppenden Rückraum und der Weltklasse von Katja Kramarczyk im Tor sollten zumindest auf Augenhöhe mit Bietigheim liegen. Und mit dem Thüringer HC, der sich zwar nicht quantitativ, wohl aber qualitativ bemerkenswert verstärkt hat. In der Vorbereitung jedenfalls vermittelte speziell die italienische Nationalspielerin Anika Niederwieser einen Eindruck davon, was der Begriff "Tormaschine" bedeuten könnte.
Nordlichter mit geringen Chancen
Nur marginal dürften die Chancen des letztjährigen Pokalsiegers Buxtehuder SV und des VfL Oldenburg sein, sich in diesem Vierkampf an der Spitze entscheidend einmischen zu können. Buxtehude beklagte in der Vorbereitung eine verletzte Leistungsträgerin nach der anderen, auch der VfL Oldenburg konnte selten vollzählig trainieren. Zudem hat VfL-Nationalspielerin Angie Geschke nach langwierigen Adduktorenproblemen einen nicht unerheblichen Trainingsrückstand.
Am Tabellenende müssen sich möglicherweise schon frühzeitig die SVG Celle, Frisch Auf Göppingen und Aufsteiger TGV Nellingen einrichten. Dem zweiten Neuling, der Neckarsulmer SU, wird dagegen durchaus der Klassenerhalt zugetraut. Apropos Zutrauen: Die Römer werden mit dem gallischen Dorf auch in dieser Saison erhebliche Probleme haben.