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Mi, 24.07. - So, 11.08.

"Kristina de Janeiro": Glücksfall ohne Sattel

Kristina Vogel am Ziel ihrer Träume
Kristina Vogel am Ziel ihrer Träume
Foto: © getty, Bryn Lennon
17. August 2016, 10:43

Es war ein Olympiasieg ohne Sattel und mit enormer Willenskraft. Kristina Vogel ist die Sprintkönigin auf der Bahn - und will das möglichst lange bleiben.

Mit Teller und Besteck lief Kristina Vogel in Rio de Janeiro quer durch das Deutsche Haus, auf der Suche nach etwas Essbarem. Zwei mickrige Würstchen waren die Ausbeute. Wenige Stunden zuvor war die Erfurterin im olympischen Velodrom noch wesentlich erfolgreicher gewesen - und dass, obwohl ihr plötzlich der Sattel fehlte. "Ich habe gedacht: verdammt, verloren, jetzt muss ich in den Entscheidungslauf", sagte Vogel über das ungewöhnliche Missgeschick.

Doch weit gefehlt. Die Bahnradsprinterin gewann Gold, in der Königsdisziplin, auch ohne Sattel. Beim sogenannten Tigersprung, bei dem die 25-Jährige ihr Rad um vier Tausendstel vorbei an der Britin Rebecca James zum zweiten Finalsieg nach vorn wuchtete, krachte der Aufsitzer herunter. Vogel vermied mit Mühe einen Sturz, und erst, als sie Bundestrainer Detlef Uibel jubeln sah, dämmerte es ihr. "Ich bin die Olympiasiegerin ohne Sattel", sagte Vogel lachend.

Zuvor weinte die 25-Jährige Tränen der Freude in den Armen ihres Lebensgefährten Michael Seidenbecher, die Gefühle übermannten sie auch während der Nationalhymne. Später wurde dann aber ausgelassen gefeiert, auch wenn der Magen knurrte. Die Magnumflasche Champagner überragte das 1,60 Meter kleine Kraftpaket fast. Die Goldmedaille hatte sich Vogel umgehängt, genauso die bronzene, die sie mit ihrer Teamsprint-Partnerin Miriam Welte am vergangenen Freitag gewonnen hatte. Ganz nebenbei hat Vogel so die Olympia-Bilanz des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR) aufpoliert, die beinahe verheerend schlecht ausgefallen wäre.

"Kristina ist Wahnsinn!"

Obwohl sie also allenthalben für Erleichterung gesorgt hatte, dachte Vogel schon wieder an mehr. "Mehr geht immer, oder?", sagte sie und lächelte verschmitzt. Vogel hat ja ein hehres Ziel, sie möchte als erfolgreichste Bahnradsprinterin überhaupt in Erinnerung bleiben. Drei Olympiamedaillen besitzt die gebürtige Kirgisin, die als Kleinkind nach Deutschland kam, inzwischen. Es sollen noch einige hinzukommen. Doch Gold in Rio steht für "Kristina de Janeiro", wie ihr Freund auf ein Banner geschrieben hatte, über allem.

Dabei haderte Vogel in Brasilien auch mit sich. Nach ihrem sechsten Rang im Keirin war die sonst so positive Ausstrahlung weg, die geplanten drei Medaillen waren nicht mehr zu erreichen. Welte half und riet ihr zu Mangala. Maltherapie, um die Balance wiederzufinden. Es funktionierte, Vogel erholte sich von ihrer bitteren Schlappe und bewies, dass ihr Rückschläge nichts anhaben können. "Kristina ist Wahnsinn, Chapeau. Mit diesem Druck, den sie sich aufgebaut hat, hat sie Großes geleistet", sagte Uibel, und schob nach: "Ich habe es schon so oft im Scherz gesagt: Kristina ist mein bester Mann."

Es sind ja nicht nur sportliche Enttäuschungen, die die lebensfrohe Frau wegsteckt. Vor sieben Jahren hing ihr Leben am seidenen Faden: Verkehrsunfall im Training. Knochenbrüche. Koma. Heute erinnern daran nur ein paar blasse Narben im Gesicht. Dieses Unglück überstanden zu haben, ist vielleicht ihr größter Sieg gewesen. Da lässt sie sich doch von einem verlorenen Sattel nicht aufhalten.

Sprint (F) 2016

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