Die Pfiffe und Buh-Rufe steckte Yuliya Efimova mit dem Gleichmut einer skandalerprobten Athletin locker weg. Lächelnd und ohne das geringste Anzeichen von Verunsicherung spazierte die russische Weltmeisterin durch die Interviewzone des Olympic Aquatics Stadium.
Dass das Publikum ihr bei ihrem umstrittenen Start in die olympischen Schwimmwettbewerbe einen ungemütlichen Empfang beschert hatte, focht Efimova zumindest äußerlich überhaupt nicht an.
"Ich bin glücklich, hier zu sein. Ich denke nur von Rennen zu Rennen", sagte die Russin, die am Sonntag als Halbfinal-Zweite über 100 m Brust mit glänzenden Medaillenaussichten in den Endlauf am späten Montagabend eingezogen war. Die frühere Dopingsünderin hatte erfolgreich ihr Startrecht in Rio de Janeiro eingeklagt und die Sanktionen des Internationalen Olympischen Komitees gegen das russische Team wegen des offenbar staatlich gelenkten Dopingsystems ad absurdum geführt.
Konkurrentinnen angewidert
Ihre Konkurrentinnen im Kampf um die Medaillen waren dagegen weniger glücklich. Als Efimova nach dem Anschlag im Wasser den Zeigefinger nach oben reckte, um zu zeigen, dass sie die Nummer eins ist, lief ihre amerikanische Rivalin Lilly King gerade an einem TV-Monitor vorbei. Die 19-Jährige sah die Szene, sie wedelte ihrerseits mit dem Zeigefinger und sagte: "Du hebst den Finger für die Nummer eins, dabei bist du mit Doping erwischt worden. Ich bin kein Fan."
Olympiasiegerin Ruta Meilutyte würdigte Yefimova erst gar keines Blickes. Die Litauerin schoss aber verbal gegen die Gold-Rivalin, die ihre Dopingsperre mit einem Strafzettel für zu schnelles Autofahren verglichen hatte.
"Ich verstehe die Welt nicht mehr"
"Es ist ein Regelbruch, klar und unmissverständlich. Du kannst das doch nicht mit einem Strafzettel vergleichen, das macht die Sache viel zu klein, verharmlost sie", sagte Meilutyte der "Welt am Sonntag". Die 19-Jährige ergänzte: "Stell dir mal vor, Kinder hören das und denken: 'Ah, okay, es ist also keine wirklich schlimme Sache'. Aber nein, das ist nicht okay."
Das fand auch ein Teil der Schwimmfans, die Efimova am Sonntag mit Pfiffen und einigen Buh-Rufen begrüßt hatten. Noch verheerender ist das Echo in der Szene selbst. "Ich verstehe die Welt nicht mehr", sagte Schwimm-Bundestrainer Henning Lambertz: "Das ist ein Schlag ins Gesicht für alle Sportler, die sauber arbeiten."
2013 positiv getestet
Efimova Fall ist besonders pikant, weil er die Regel des IOC kippte, wonach einmal gesperrte russische Athleten in Rio nicht starten dürfen.
Im Oktober 2013 war Efimova positiv auf ein Steroid getestet worden. In einem umstrittenen Urteil beschränkte sich der Schwimm-Weltverband FINA seinerzeit auf eine 16-monatige Sperre, sodass sie bei der Heim-WM 2015 in Kasan antreten konnte. Vom Vorwurf des Meldonium-Dopings wurde die Brustschwimmerin jedoch im Juli freigesprochen.
