Rekord-Olympiasieger Michael Phelps darf als Fahnenträger das amerikanische Olympiateam ins Stadion führen. Der Amerikaner ist sportlich nach wie vor Weltklasse - und als Mensch gereift.
Diese Wahl war Rekord-Olympiasieger Michael Phelps vielleicht sogar mehr wert als eine weitere Goldmedaille. Dass er bei der Eröffnungsfeier der Sommerspiele in Rio de Janeiro am Freitag die US-Fahne ins Maracanã-Stadion tragen darf, habe ihm "das breiteste Lächeln überhaupt" ins Gesicht gezaubert, verriet der Schwimmstar: "Ein Traum wird wahr. Das ist eine riesengroße Ehre und macht mich extrem stolz."
Die Ernennung zum Fahnenträger seines Heimatlandes bei seinen fünften und diesmal wirklich letzten Olympischen Spielen ist für Phelps auch ein Zeichen dafür, dass er in den vergangenen beiden Jahren, der "besten Zeit meines Lebens", wie er es selbst sagt, alles richtig gemacht hat. Davon zeugt auch sein drei Monate alter Sohn Boomer, der im Strampler mit der Aufschrift "Team Daddy" in den Armen seiner Mutter Nicole Johnson bei Phelps' Rennen zum jüngsten Fan wird.
So sollte die Karriere nicht enden
In Rio de Janeiro noch einmal ins Olympia-Becken zurückzukehren, war dem erfolgreichsten Schwimmer der Geschichte aber nicht nur wegen Boomer ein besonderes Bedürfnis. "Ich habe mich wieder in diesen Sport verliebt", sagte Phelps.
Der Abschied vor vier Jahren in London hatte sich trotz vier Gold- und zwei Silbermedaillen irgendwie falsch angefühlt. "Ich hatte überhaupt kein geregeltes Training. Ich wusste nicht, was ich wollte, aber ich wollte nichts mit dem Sport zu tun haben", erinnerte er sich: "Ich habe versucht, es zu verschleiern. Ich bin rein und raus aus dem Becken, so schnell wie möglich."
So, dachte Phelps ein Jahr nach seiner vermeintlich letzten Ehrenrunde im Aquatics Centre in London, sollte seine Karriere nicht enden. "Ich wollte nicht mit der Frage leben: Was wäre wenn?"
"Ich wollte nicht mehr auf dieser Welt sein"
Heute ist alles anders: "Ich fühle mich wieder wie ein Kind." Mit 31 Jahren hat er die Leidenschaft fürs Schwimmen wiederentdeckt, die ihn schon mit 15 zu den Spielen und wenige Monate später zu seinem ersten Weltrekord führte. Die ihn 2008 in Peking mit acht Goldmedaillen unsterblich machte. "Diese Reise war unbeschreiblich", sagte Phelps rückblickend.
Die letzte Etappe hätte es jedoch beinahe nicht gegeben. Vor knapp zwei Jahren saß der 18-malige Olympiasieger, der 39 Weltrekorde aufgestellt hat, in einem Therapiezentrum in Arizona und dachte an den Tod. "Ich wollte nicht mehr den nächsten Tag sehen", erinnerte er sich: "Ich wollte nicht mehr auf dieser Welt sein."
Sein Alkoholproblem hatte ihn dorthin gebracht. Nachdem er zum zweiten Mal wegen Trunkenheit am Steuer festgenommen worden war, wollte er es nicht länger ignorieren. "Ich habe mir gesagt, dass ich nicht mehr trinke bis nach Rio, wenn ich überhaupt noch einmal trinke", erzählte er. Mit Hilfe seiner Verlobten Nicole und seiner Familie schaffte er es aus dem Tief heraus. Heute sagt er: "Ich gehe früher ins Bett, schlafe mehr und wache mit vollkommen klarem Kopf auf."
