Mit dem kleinsten Olympiateam seit 60 Jahren treten die deutschen Fechter in Rio de Janeiro an. Für den Verband steht viel auf dem Spiel.
Topstar Britta Heidemann nur Zuschauerin, das kleinste Olympia-Team seit 60 Jahren - die arg dezimierten deutschen Fechter stehen bei den Sommerspielen in Rio vor einer schweren Aufgabe. Zwei bis drei Medaillen lautete die Zielvorgabe, bei nur vier qualifizierten Fechtern darf in der Carioaca Arena 3 absolut nichts mehr schief gehen. Sonst droht die einstige deutsche Vorzeigesportart noch weiter in der Versenkung zu verschwinden.
"Wir gehen zuversichtlich, aber ohne Euphorie nach Rio", sagt Dieter Lammer, Präsident des Deutschen Fechterbundes: "Ich gebe keine Marschroute vor und denke, dass unser Team klein, aber fein ist. Alle haben bereits bewiesen, dass sie um Entscheidungen mitkämpfen können."
Vor vier Jahren in London, als die deutschen Fechter mit einer ganzen Reihe Medaillenhoffnungen angetreten waren, durften sie sich mit Silber für Degenfechterin Heidemann und Bronze für das Herrenflorett-Team über zwei Medaillen freuen. Diesmal sind überhaupt nur an zwei von neun Wettkampftagen Deutsche am Start.
Den Auftakt macht der viermalige Einzel-Weltmeister Peter Joppich (Florett) am Sonntag, am Mittwoch kämpfen die Säbelfechter Max Hartung und Matyas Szabo sowie Carolin Golubytskyi (Florett) um die Medaillen. Erstmals seit 1956 startet bei Olympia nicht eine einzige deutsche Mannschaft. "Ein Tiefpunkt" und "worst case", wie Lammer nach der desaströsen Olympiaqualifikation zugab.
Erfolge in Rio wären für den ohnehin kriselnden Verband enorm wichtig. Nach den Spielen soll der bereits begonnene Umbruch fortgesetzt werden. Verstärkt will der DFeB, der jahrelang von Topsportlern wie Heidemann und Joppich lebte, wieder auf junge Talente setzen.
Es ist die einzige Lösung. Denn ob beispielsweise Heidemann, die in Rio in die Athletenkommission des IOC einziehen will, überhaupt noch einmal auf die Planche zurückkehrt, ist auch aufgrund ihrer langwierigen Achillessehnenverletzung fraglich.
Lammer sieht "keinen besonderen Druck"
Doch es braucht mehr als junge Talente oder Erfolge in Rio, damit die deutschen Fechter wieder an die Weltspitze anschließen können. Dringend müssen Strukturen geändert, muss der Verband professionalisiert werden. "Im Endeffekt müssen wir uns in allen Bereichen neu aufstellen. Wir dürfen nicht zur Tagesordnung übergehen", sagt Lammer.
Ob er selbst diesen Prozess anführt, ist ungewiss. Im Herbst wird ein neues Präsidium gewählt. Mit Spannung erwartet der Verband auch die neue Leistungssportreform, die am Ende des Jahres vorgestellt werden soll. Zuletzt mussten die Fechter deutliche Kritik einstecken.
"Ich denke nicht, dass es einen besonderen Druck gibt", betont Lammer dennoch. Zumindest die Sportler sollen in Rio von den Nebengeräuschen unbeschwert antreten. Trotzdem: Das deutsche Fechten steht am Scheideweg.