Der Countdown zu den Olympischen Sommerspielen in Rio de Janeiro hat längst begonnen. Bis zur Eröffnungsfeier am 5. August begleitet sport.de Olympiateilnehmer bei ihrer Vorbereitung auf den weltweiten Sporthöhepunkt 2016. Das sind "Unsere Rio-Reiser – die sport.de-Olympiavorschau!".
Deutschlands Schwimm-Idol Paul Biedermann hat sich vor seinen dritten und letzten Olympischen Spielen in Lauerstellung gebracht. Über seine Paradedistanz, den 200 Meter Freistil, hat der 29-Jährige in dieser Saison schon mehrere Weltklassezeiten hingelegt. Der Traum vom ersten olympischen Edelmetall im letzten großen Wettkampf der Karriere lebt somit mehr denn je. Mit sport.de sprach Biedermann noch einmal en détail über seine Rio-Ziele, den Posten des deutschen Fahnenträgers und die Arbeit nach dem Leistungssport.
Herr Biedermann, bis Sonntag lief noch die Fußball-Europameisterschaft in Frankreich. Haben Sie das eher als Vor- oder Nachteil aufgefasst, dass der öffentliche Fokus in dieser Zeit deutlich auf der EM und noch nicht auf den Olympischen Spielen lag?
Eigentlich weder noch! Wenn Fußball-EM ist, dann ist halt Fußball. Für mich ist das alles in Ordnung. Jeder hat so sein persönliches Highlight.
Sie sind in dieser Saison in Ihrer Paradedisziplin über die 200 Meter Freistil schon 1:45er- oder 1:46er-Zeiten geschwommen, was im internationalen Vergleich in diesem Jahr zur Weltspitze gehört. Es sieht so aus, als könnte noch einmal richtig etwas gehen in Rio. Wo sehen Sie sich selber, wenige Wochen vor Olympia-Start?
Ich denke, ich bin auf einem guten Weg. Ich konnte gut trainieren, das ist für mich immer das Wichtigste. Auch das Trainingslager zuletzt in Belek war noch mal sehr gut. Da haben wir vor allem den Nachtrhythmus geübt, was auch gut funktioniert hat. Jetzt absolviere ich noch zu Hause die letzte Vorbereitung und dann geht es auch bald schon los am 18. Juli nach Veranópolis ins sogenannte Pre-Camp. Dann sind wir schon mal in Brasilien, um uns auch vor Ort an den Rhythmus und die Zeitumstellung anzupassen. Dort wird uns dann der letzte Schliff gegeben.
Gesundheitlich und körperlich: Wie geht es Ihnen im Moment?
Es ist alles im grünen Bereich!
Sie haben das Nacht-Trainingslager in Belek angesprochen. Zu welchen Zeiten haben Sie da genau trainiert? Und wie schwer fiel Ihnen dieser neue Rhythmus wirklich, der Sie ja auch bei Olympia erwarten wird?
Unsere Wassereinheiten waren von 12 bis 14 Uhr und von 22 bis 24 Uhr. Damit hatte ich eigentlich keine Probleme, das hat für uns alle gut funktioniert. Ich hatte das vorher auch schon einmal zu Hause in Halle geübt. Auch Florian Vogel und Christoph Hildebrandt, die mit dabei waren, konnten vor Ort gut trainieren. Wir sind bisher alle ganz gut durchgekommen – toi, toi, toi! Ich hoffe natürlich, dass das so bleibt.
Im Gegensatz zu einigen Ihrer Kollegen verzichten Sie aktuell auf Veranstaltungen wie zuletzt die German Open. Wo liegt daher jetzt noch Ihr Hauptaugenmerk im Training, wenn Sie auf Wettkämpfe verzichten?
Es kommt langsam die Schnelligkeitsausprägung. Wir haben da noch mal einen ganzen Trainingszyklus machen können. In den nächsten Wochen werden wir weiter daran arbeiten.
Beim Blick auf die Konkurrenz: Wie nehmen Sie die Leistungen und die Form Ihrer Kollegen bisher wahr? Vor allem die Schwimmer aus den USA hinken vergleichsweise noch etwas hinterher, was die absoluten Topzeiten in dieser Saison angeht.
Die Trials bei den Amerikanern zuletzt waren glaube ich eine sehr gute Veranstaltung. Sie haben gerade über die 200 Meter gezeigt, dass sie in der Staffel sehr gut drauf sein werden. Grundsätzlich werden alle gut vorbereitet sein. Jetzt wird man einfach sehen, ob sich die Konkurrenten noch weiter steigern können und was sie daraus machen.

Nein, das ist so wie gehabt: Ich möchte die bestmögliche Leistung bringen und einen guten Abschluss für mich finden. Dann schauen wir einfach, was da letzten Endes noch möglich ist.
In diesem Zusammenhang: Stichwort Staffel. Wie sieht es da mittlerweile aus, was Ihre Zielsetzung in der 4x200-Meter-Staffel anbelangt?
Ich glaube, dass wir mit den Zeiten von den Deutschen Meisterschaften ganz gut aufgestellt sind. Sowohl was das Erreichen des Finales als auch den Kampf um mögliche Medaillen angeht.
Bei unserem letzten Gespräch vor zwei Monaten wirkten Sie extrem gelassen, obwohl Olympia 2016 bekanntlich Ihr letzter großer Wettkampf sein wird. Nun rücken die Spiele in großen Schritten immer näher. Ist diese Gelassenheit immer noch geblieben bei Ihnen, oder herrschen mittlerweile Anspannung oder sogar Wehmut vor?
Eigentlich noch nicht. Ich weiß, dass ich noch ein bisschen Zeit habe und alles noch ein bisschen dauert. Was heißt Gelassenheit? Ich nehme das jetzt alles so mit, ich kenne das ja auch! Ich stehe vor meinen dritten Olympischen Spielen und freue mich einfach riesig darauf. Die eigentliche Anspannung wird dann kommen, wenn wir im Vorbereitungslager in Veranópolis sind.
Also wollen Sie sich diese Ruhe, die Sie nach außen hin ausstrahlen, bis zum Wettkampf beibehalten!
Ja das hoffe ich doch! Das macht auf jeden Fall alles ein bisschen angenehmer.
In den letzten Tagen hat der DOSB seine Pläne vorgestellt, nach welchem Modus in diesem Jahr der deutsche Fahnenträger bei Olympia bestimmt werden soll. Demnach wird es eine Abstimmung in der Bevölkerung und unter den Sportlern geben, wem diese ehrenvolle Rolle bei der Eröffnungsfeier zu Teil wird. Auch Ihr Name wurde schon mehrfach genannt. Wie klingt das für Sie: Paul Biedermann als möglicher Fahnenträger für Deutschland?
Erst einmal hat es mich überrascht, dass es diese Möglichkeit geben soll und dass ich da genannt werde. Natürlich wäre es eine sehr große Ehre! Ich persönlich würde allerdings den Robert Harting präferieren. Er hat schon diese olympischen Erfolge im Rücken. Er ist auch einer derjenigen, der sich in Deutschland ganz besonders für den olympischen und paralympischen Sport einsetzt und hat es sich verdient. Außerdem würde es einige Sportfunktionäre ärgern, wenn er die Fahne trägt.
Wenn die Olympischen Spiele abgeschlossen sind und Sie Ihren letzten großen Wettkampf hinter sich haben: Was werden Ihre Zukunftspläne sein? Steht schon etwas fest?
Ich habe zwei konkrete Jobangebote vorliegen, die auch beide etwas mit Sport zu tun haben. Genauer möchte ich dazu aber nichts sagen. Ich weiß, dass ich nach Olympia meine Möglichkeiten habe, meine Erfahrungen im Sport weiterzugeben. Das ist mir sehr wichtig und deswegen freue ich mich einfach auf die Zeit, die ansteht.
Das Interview führte Mats-Yannick Roth



