Beim Meeting in Zeulenroda hat Sprinter Julian Reus seinen deutschen Rekord über 100 m auf 10,03 verbessert. Die magische Zehn-Sekunden-Marke ist nahe, doch im Fokus steht der Weg nach Rio.
Die magische Sprintergrenze ist nah, die Zehn-Sekunden-Marke für den schnellsten Deutschen der Geschichte nur noch einen Wimpernschlag entfernt. "Das ist unglaublich", meinte ein überwältigter Julian Reus gegenüber der Nachrichtenagentur "afp", nachdem er am Freitagabend beim kleinen Leichtathletik-Meeting im thüringischen Zeulenroda den nationalen Rekord über 100 m auf 10,03 Sekunden gedrückt hatte. Der erste "Neuner" eines Deutschen könnte nur noch eine Frage der Zeit sein.
Vor ziemlich genau 23 Monaten hatte Reus die deutsche Uralt-Bestmarke des Magdeburgers Frank Emmelmann aus dem Jahr 1986 bei der DM 2014 in Ulm um eine Hundertstel auf 10,05 Sekunden gedrückt. Nun folgte quasi im Vorbeigehen der nächste Paukenschlag. "Der Fokus lag in Zeulenroda vor allem auf den 200 m, umso erstaunlicher ist, dass die 100 m so gut waren", sagte der 28-Jährige, der nach seinem Rekordrennen auch die doppelte Distanz in 20,23 Sekunden so schnell wie nie zuvor lief - bei allerdings zu starkem Rückenwind von 2,3 m/s.
Im Gespräch mit sport.de verriet Julian Reus vor dem Wettkampf in Zeulenroda, dass es generell keine Präferenzen zwischen den einzelnen Disziplinen für ihn gibt: "Die 100, 200 und 4x100 Meter sind bei mir alle gleichwertig. Alles hat für sich genommen seinen Reiz und seien Qualität, es gibt da keine Rangliste oder sowas."
"Macht keinen Sinn, sich einen Kopf zu machen"
Über seinen Rekord und die legendäre Schallmauer wollte Reus in Zeulenroda aber gar nicht reden, die großen Ziele in diesem Jahr sind andere. "Erstmal konzentriere ich mich ganz klar auf die Europameisterschaften. Danach ist noch ein Monat Zeit, und dann geht der Kopf Richtung Rio", sagte Reus und blieb sich damit treu. Schon nach seinem Rekordlauf 2014 in Ulm hatte er der "afp" erklärt: "Unter zehn Sekunden? Das lässt mich kalt. Dabei gibt es so viele Dinge, die man nicht planen kann. Und deshalb macht es auch keinen Sinn, sich darüber einen Kopf zu machen."
Den machte Reus sich auch in Zeulenroda nicht, und dennoch war er schon so nah dran: Wäre der Rückenwind noch ein wenig stärker gewesen als die gemessenen 0,5 m/s (erlaubt ist das Vierfache), das Rennen im Waldstadion wäre für Reus vielleicht schon zum Lauf in die Geschichtsbücher geworden. Der Wattenscheider wäre der erst zweite Weiße nach dem Franzosen Christophe Lemaitre (Bestzeit 9,92) unter der Zehn-Sekunden-Marke, an der sich alte Legenden wie die Olympiasieger Pietro Mennea (Italien/10,01) oder Valeri Borsov (UdSSR/10,07) in ihrer Karriere die Zähne ausgebissen hatten.
Derzeit drittschnellster Mann Europas
Doch für Reus hatten andere Erkenntnisse größeren Wert. "Ich bin gut in Form, das ist wichtig für Amsterdam", sagte er mit Blick auf die anstehende EM (6. bis 10. Juli). Derzeit ist er drittschnellster Sprinter Europas, das Finale der besten Acht ist drin, vielleicht sogar mehr.
"Man sollte jetzt nicht davon ausgehen, dass ich da noch schneller laufe", sagte Reus. Nun will er seinen "Körper ein bisschen in Watte packen. Gesund bleiben ist das oberste Ziel". Denn auch ohne die 9,9 bleiben im Olympiajahr große Ziele. Welches internationale Niveau in diesem Sommer bei der EM und in Rio noch erreicht werden kann, ist auch für den Mann vom TV Wattenscheid schwer abzuschätzen: "Es ist schwer zu sagen. Es haben noch nicht alle ihre Karten auf den Tisch gelegt und sind gegeneinander gelaufen. Es ist noch Zeit bis Olympia, da fällt es nicht leicht, eine Prognose abgegeben zu können", meinte Reus im Gespräch mit sport.de.
Halbfinale als Ziel für Rio
Julian Reus stellte schon vor seinem Fabelrekord für die Europameisterschaft und Olympia klar: "Ich will mich dort vor Ort nicht an Zeiten messen lassen. Es geht ja auch immer um die jeweiligen Bedingungen vor Ort. Letztlich spielt die Zeit eine untergeordnete Rolle für mich. Bei Olympia steht an oberster Stelle, ein für mich sehr gutes Ergebnis zu erzielen. Das Halbfinale könnte denke ich realistisch sein und ist auf jeden Fall drin."
Noch steht aber die EM in Amsterdam klar im Fokus, die am 6. Juli beginnt: "Die EM ist auch ein absoluter Höhepunkt. Der Wettkampf hat einen sehr hohen Stellenwert. Sie ist ebenfalls ein internationales Highlight. Der Kopf ist daher im Moment noch voll auf die EM gerichtet, danach werde ich in den Olympia-Modus umschalten."