Britta Heidemann hat sich nicht für die Olympischen Spiele qualifiziert, will in Rio aber trotzdem durchstarten - in die Athletenkommission des IOC.
Zum Kernthema ihrer Kampagne macht sie den Anti-Doping-Kampf. "Ich denke, dass gerade in der Zeit, in der internationale Sportverbände so in der Kritik stehen, der Sportler eine Stimme braucht", sagte sie im "SID"-Interview.
Frau Heidemann, fast zwei Monate ist es her, dass Sie die Olympia-Qualifikation verpasst haben. Wie sind Sie damit umgegangen?
Britta Heidemann (Degen-Olympiasiegerin von Peking 2008): "Ich war natürlich sehr enttäuscht, auch wenn ich mich mental ein wenig darauf vorbereiten konnte, weil wir die Mannschaftsqualifikation bereits früh verpasst hatten. Danach war es klar, dass es im Einzel sehr, sehr schwer werden würde, denn wir haben einen wirklich komplizierten Qualifikationsmodus. Von daher musste ich das eben akzeptieren. Ich habe aber seitdem beruflich sehr viel gemacht. Ich habe u.a. Vorträge gehalten und war auch mit der Kölner Oberbürgermeisterin in China, die dort ihren Antrittsbesuch gemacht hat. Mir wird nicht langweilig."
Sie haben eine längere Pause angekündigt. Kehren Sie noch einmal auf die Planche zurück
"Das hängt auf der einen Seite davon ab, wie sich meine Achillessehne entwickelt. Stand jetzt kann ich nicht einmal schmerzfrei joggen. Das ist natürlich kein gutes Zeichen. Ich habe mir jetzt ein halbes Jahr Pause vorgenommen. Zum Zweiten hängt es davon ab, ob es mich noch einmal reizt, auf die Fechtbahn zu gehen. Ich glaube daran, dass man erfolgreich ist, wenn man Freude an etwas hat. Da muss ich einfach schauen, ob diese Freude wiederkommt."
Sie kandidieren auch noch für die Athletenkommission des Internationalen Olympischen Komitees (IOC). Derzeit haben internationale Sportverbände nicht gerade den besten Ruf, was hat Sie dennoch zu der Kandidatur bewogen?
"Ich bin seit über 15 Jahren im Spitzensport dabei und habe die tagtäglichen Hürden und Sorgen der Athleten selbst erlebt, beispielsweise die Bewältigung der Dualen Karriere aber auch die Bedingungen vor Ort bei internationalen Wettbewerben. Und gerade erst habe ich am eigenen Leib die Probleme mit Qualifikationsregeln von internationalen Verbänden zu spüren bekommen. Ich denke, dass gerade in der Zeit, in der internationale Sportverbände so in der Kritik stehen, der Sportler eine Stimme braucht."
Hat Sie denn IOC-Präsident Thomas Bach in ihrer Entscheidung ermuntert?
"Nein, der IOC-Präsident muss ja selbstverständlich neutral bleiben. Claudia Bokel als derzeitige Vorsitzende der Athletenkommission hat es ja vorgemacht und einige Änderungen erwirkt. Sie nehme ich mir natürlich als Vorbild. An ihrer Bewerbung von 2008 versuche ich mir etwas abzuschauen. Schließlich ist sie ja gewählt worden."
Wie muss man sich denn so einen Wahlkampf vorstellen?"
"Das Wort 'Wahlkampf' ist vielleicht zu kämpferisch. Man muss während der Zeit der Olympischen Spiele von 10.500 Athleten im Olympischen Dorf eben einfach möglichst viele davon überzeugen, dass man ihre Interessen vertritt. Es wird sich sehr viel über persönliche Gespräche abspielen. Ich freue mich auf die Zeit, denn wir Sportler haben alle ähnliche Erfahrungen gemacht, sich darüber auszutauschen, ist immer spannend. Und sollte ich gewählt werden, kann ich die Erkenntnisse aus diesen Gesprächen direkt mitnehmen."
Für was wollen Sie stehen?
"Ich glaube, dass sich die Verbände und die verantwortlichen Sportorganisationen wieder mehr um die tatsächlichen, die realitätsnahen Sorgen der Athleten kümmern sollten. Das ist Detailarbeit. Es darf nicht nur schöne Konzepte geben, sondern die Bedingungen u.a. bei den Wettkämpfen müssen gut sein. Ein ganz großes Thema ist selbstverständlich auch der Anti-Doping-Kampf.
Da geht es um den Schutz der sauberen Athleten. Auf der einen Seite muss die Welt-Anti-Doping-Agentur noch weiter angestoßen werden, wie man gedopte Athleten und beteiligte Personen sanktioniert - das muss auch im Regelwerk festgelegt sein. Auf der anderen Seite geht es darum, noch besser präventiv zu arbeiten. Da muss sehr, sehr viel Arbeit reingesteckt werden."
Was empfinden Sie denn, wenn Sie die Nachrichten aus anderen Ländern wie Russland oder von den Nachtests der Olympischen Spiele in Peking und London hören?
"Jeder Athlet, der sauber für Höchstleistungen kämpft, schaut bei jeder neuen Enthüllung ohnmächtig zu. Man fragt sich, wie das sein kann. Es gibt Organe, die sich darum kümmern müssten, dass der saubere Sport eingehalten wird. Aus meiner Sicht muss da ganz schön viel nachgelegt werden. Es gibt Länder, in denen das Sportsystem grundsätzlich anders aufgebaut ist. Da muss man ländernahe Lösungen finden, um den Antidopingkampf erfolgreich zu führen."
In wenigen Tagen wird entschieden, ob die russischen Leichtathleten bei den Olympischen Spielen in Rio an den Start gehen dürfen. Wie stehen Sie dazu?
"Das ist eine schwere Entscheidung. Einerseits müssen natürlich Konsequenzen gezogen werden. Auf der anderen Seite ist nach unserem Rechtsverständnis jeder so lange unschuldig, bis seine Schuld bewiesen ist. Im Umkehrschluss: Alle in Gemeinschaftshaft zu nehmen, finde ich keinen langfristigen Lösungsansatz. Vor allem nicht, wenn nur die Athleten sanktioniert werden."