Daniel Ricciardo kann wieder lächeln. Knapp zwei Wochen nach Red Bulls Boxenstopp-Drama in Monaco hat der Australier sein Dauergrinsen wiedergefunden, weil sein Team den Vorfall, der ihm den Grand-Prix-Sieg kostete, aufgeklärt und sich beim gebeutelten Piloten für die zweite Panne in Serie entschuldigt hat.
Ricciardo macht keinen Hehl daraus, nach der Zieldurchfahrt stinksauer gewesen zu sein: "Ich brauchte ein paar Tage, um runterzukommen", erklärt der WM-Dritte. Öffentliche Kritik an der Truppe aus Milton Keynes nimmt Ricciardo aber nur zaghaft zurück: "Es war nicht gesund, dass ich es sofort angesprochen habe", räumt er ein. "Nach einem Rennen ist aber niemand in der Lage, zu analysieren, was passiert ist. Für mich galt es, Abstand zu gewinnen." Erst danach griff der Pilot zum Hörer und setzte sich mit Teamchef Christian Horner in Verbindung. "Er hat es erklärt und sich im Namen aller entschuldigt. Das war am Telefon", berichtet Ricciardo.
Im Gespräch mit seinem Renningenieur Simon Rennie ging er in medias res. Red Bull bestätigte ihm die unmittelbar nach dem Rennen kommunizierte Diagnose, die schnelle Reaktion auf die Reifenwahl Lewis Hamiltons und die räumlichen Gegebenheiten eines Stadtkurs hätten bewirkt, dass die Reifen bereitlagen. "Klar, die Boxenanlage machte es schwieriger", räumt Ricciardo ein, "aber ich bin mir nicht sicher, ob das Ganze nicht auch auf einer anderen Strecke passiert wäre."
"Wichtig, es erklärt zu bekommen"
"Die Entscheidung kam einfach etwas zu hastig", befindet er. "Am Ende hat sich alles summiert." Auch bei ihm selbst: Ricciardo schäumte deshalb so heftig, weil ihn beim vorangegangen Rennen in Barcelona ebenfalls ein Taktikfehler zurückgeworfen hatte: "Es ist unglücklich, dass es zweimal hintereinander passiert. Das hat natürlich die Emotionen verstärkt. Aber es ist wichtig, es erklärt zu bekommen, aber noch wichtiger, dass es sich nicht wiederholt." Red Bull hat nicht geschlafen.
Eine Softwaretools zur Strategieberechnung sind ab sofort im Einsatz - auch, weil Ricciardo nicht nur der vermasselte zweite Reifenwechsel, sondern auch der erste Halt bei der Crew ein Dorn im Auge war. "Ich habe auch ihn infrage gestellt und sichergestellt, dass man sich um ihn genauso kümmert. Simon hat eingesehen, dass wir auch da einen Fehler gemacht haben", so Ricciardo. Sprich: Es wäre besser gewesen, genau wie Sieger Hamilton komplett auf den Einsatz von Intermediates zu verzichten und mit einem Halt bei der Crew über die Renndistanz zu kommen.
Daniel Ricciardo scheint neues Vertrauen in das Team gefasst zu haben. "Seitdem ist viel passiert. Ich weiß, dass es ernstgenommen wird", unterstreicht er die Lehren aus dem Malheur von Monaco. Von Frust über das andauernde Ausbleiben von Siegen will der Mann aus Down Under indes nichts wissen und steht hinter Red Bull. Er sagt: "Ich stelle nicht infrage, dass wir Fortschritte machen."
Titelchance ade?
Bitter für den Australier: Ohne die beiden - und einige weitere - Vorfälle könnte Ricciardo sogar mitten im WM-Kampf sein. In der Realität liegt der 26-Jährige allerdings 40 Punkte hinter Spitzenreiter Nico Rosberg.
"Ich hätte vor der Saison nicht erwartet, dass ich Dritter in der Meisterschaft sein würde", erklärt Ricciardo vor dem siebten Saisonrennen in Kanada. Etwas zähneknirschend blickt er zurück und erinnert: "In Russland haben wir (nach einem Startunfall) nicht gepunktet, und in China hätten es ohne den Reifenschafen auch mehr Punkte sein können. Und dann die vergangenen Rennen..."
"Wir könnten sehr nah an der Spitze der Meisterschaft dran sein", ist sich der Red-Bull-Pilot sicher und erklärt: "Momentan denke ich noch nicht darüber nach. Ich würde liebend gerne in ein paar Rennen in der Position sein, dass ich sagen kann, dass wir in diesem Jahr um den Titel kämpfen können. Das wäre eine schöne und unerwartete Geschichte für die Formel 1. Dieses Rennen wird eine Menge darüber aussagen, wie konkurrenzfähig wir sind."
Am nötigen Selbstvertrauen mangelt es jedenfalls nicht. "Hoffen wir, dass Monaco keine Ausnahme war. Ich hoffe, dass wir auch in der restlichen Saison kämpfen können", erklärt Ricciardo. Auf die Frage, ob er in Montreal eine realistische Siegchance haben könnte, antwortet er: "Ich denke schon. Es wäre toll, so zurückzuschlagen. Warten wir ab. Ich denke, dass Mercedes realistisch gesehen weiterhin das Team ist, das es zu schlagen gilt."
"Ich hoffe, dass wir die Besten hinter Mercedes sein können. Aber es ist schwer. Ferrari hat uns schon manchmal überrascht", erinnert der Australier und erklärt: "Ich bin mir nicht sicher, wie weit wir hinter Mercedes sein werden. Hoffentlich sind wir nah genug dran, um sie wieder unter Druck zu setzen." Nico Rosberg führt die WM aktuell mit 106 Punkten vor seinem Teamkollegen Lewis Hamilton (82 Punkte) an.

