Bester Vizemeister der Bundesliga-Geschichte, vor der Gelben Wand ungeschlagen, mit 82 Toren einen neuen Vereinsrekord aufgestellt, im Pokal erst im Finale unglücklich und in der Europa League denkwürdig gescheitert: Die Saison des BVB bot viele Höhen, wenige Tiefen, aber einmal mehr keine Titel. Nun steht der Borussia ein personeller Umbruch bevor. Die Baustellen der Verantwortlichen sind zahlreich.
Galionsfigur Mats Hummels wandert im Sommer nach achteinhalb Jahren ausgerechnet nach München ab, İlkay Gündoğan verabschiedet sich auf die Insel und mit Henrikh Mkhitaryan zögert ein weiterer Leistungsträger zumindest, seinen Kontrakt bei den Schwarz-Gelben zu verlängern. Beim Abschlussbankett der Borussia nach dem verlorenen Pokalfinale in Berlin war laut Medienberichten hinter vorgehaltener Hand von vier bis fünf Neuzugängen die Rede.
Die ersten personellen Maßnahmen wurden bereits ergriffen: Im Februar zurrte der BVB den Transfer des spanischen Mittelfeldtalents Mikel Merino fest. Unlängst stach man die internationale Konkurrenz im Werben um den französischen Offensiv-Shootingstar Ousmane Dembélé aus.
Hummels-Nachfolge: Trio in der Verlosung
Für die Defensive deutet sich zudem eine Lösung für die Hummels-Erbfolge an. Kiews Aleksandar Dragović könnte sich noch vor EM-Beginn den Westfalen anschließen. Die Namen Ömer Toprak, Niklas Süle und Marc Bartra geisterten ebenfalls durch die Medien - und klingen vielversprechend. Und auch eine Verpflichtung des Ex-Stuttgarters Antonio Rüdiger würde durchaus Sinn ergeben.
Ins Reich der Legenden kann man hingegen Gerüchte um Real Madrids Raphaël Varane verbannen. "Geld ist nicht das Thema. Aber warum soll einer, der bei Real Madrid der definitive Innenverteidiger der nächsten fünf Jahre sein wird, zu Borussia Dortmund gehen?", äußerte sich Watzke gegenüber der "WAZ". Auch der immer mal wieder als Neuzugang gehandelte Nationalspieler Shkodran Mustafi vom FC Valencia kommt für den BVB wohl eher nicht in Frage.
Wer beerbt Gündoğan?
Deutlich komplizierter erscheint die Lage in der Schaltzentrale. Mit Gündoğan ist der Lenker des BVB-Spiels Pep Guardiola nach Manchester gefolgt. Kandidaten für seine Nachfolge werden sogar in der spekulationsfreudigen Medienlandschaft kaum gehandelt. Intern können die Dortmunder den Verlust des 25-Jährigen langfristig ebenfalls nicht auffangen. Nuri Şahin sucht wegen anhaltender Knieprobleme seit gut zwei Jahren nach der Form früherer Tage, Shinji Kagawa versuchte zuletzt oftmals vergeblich, an einstige Galavorstellungen anzuknüpfen und Sven Bender wurde unter Tuchel in die Abwehrmitte zurückbeordert.
Viele Planspiele dürften auch von der Entwicklung in der Causa Mkhitaryan abhängen. Das nötige Kleingeld um den Assistkönig über 2017 hinaus zu halten, hätten die Westfalen. Angeblich will der von den Bundesligaprofis zum Spieler der Saison gewählte Armenier jedoch gleich mehrere Ausstiegsklauseln in seinem Vertrag verankert sehen. Verlängert der 27-Jährige nicht vorzeitig, droht im nächsten Sommer ein ablösefreier Abgang. Zumindest die zwischenzeitliche Verhandlungspause mit Mkhitaryans umtriebigen Berater Mino Raiola ist inzwischen wieder beendet.
Optimierung der Kaderbreite erwünscht
Aber auch auf anderen Positionen könnte noch etwas passieren. Ein Backup für Marcel Schmelzer, der laut Watzke heißer Kandidat ist, Hummels' Führungsrolle zu übernehmen, wird gesucht. Während eigentlich kaum vorstellbar ist, dass sich Wolfsburgs Ricardo Rodríguez, zumal rund 25 Millionen teuer, mit dieser Rolle begnügen würde, scheint ein Transfer von Raphaël Guerreiro vom FC Lorient verlockend.
Von einem Dortmunder Interesse am Portugiesen berichtete die "L'Équipe", die über eine Ablöse von etwa zwölf Millionen spekulierte. Mit 22 Jahren und mehr als 100 Ligue-1-Partien in der Vita wirkt der Nationalspieler zumindest wie die perfekte Mischung aus Jugend und Erfahrung, die der Personaldecke der Borussia auf kurze und lange Sicht die fehlende Dicke verschaffen könnte.
An Talenten mangelt es nicht
Ob der ehemalige Freiburger Roman Bürki den Ansprüchen Dortmund genügt, bleibt nach seiner ersten Saison bei einem Top-Klub offen. Zu häufig wirkte der Schweizer nicht sattelfest. Kölns Timo Horn könnte bei einer kolportierten festen Ablöse von neun Millionen ein passendes Schnäppchen sein, das sofort mit Bürki um die Position als Nummer eins konkurrieren würde. "Ich habe kein konkretes Angebot", erklärte der 22-Jährige zwar zuletzt, ließ mit dem obligatorischen "Stand jetzt" allerdings auch Freiraum für Spekulationen.
Klar ist: An Talent mangelt es dem Borussen-Kader nicht. Neben Stammkraft Julian Weigl (20) dürften auch Christian Pulisic (17), Felix Passlack (17), Merino (19) und Dembélé (19) trotz ihrer jungen Jahre schon eine große Rolle in der kommenden Spielzeit spielen. Den ein oder anderen gestandenen Profi werden Tuchel, Watzke, Zorc und Co. den Top-Youngster allerdings noch an die Seite stellen müssen.