Nach langer Verletzungspause hat sich Leon Goretzka bei Schalke 04 zu einem Leistungsträger entwickelt. Der Kapitän der U21-Nationalmannschaft deutet jetzt an, warum ihn sein Ex-Trainer Peter Neururer für ein "Jahrhunderttalent" hielt.
Leon Goretzka ließ sich nichts anmerken. Der Jungstar von Schalke 04 versuchte, möglichst unbeteiligt zu wirken, als neben ihm André Breitenreiter eine Lobeshymne anstimmte. "Er ist ein großartiger Spieler, der eine tolle Entwicklung genommen hat. Er hat sehr große Möglichkeiten Richtung A-Nationalmannschaft", schwärmte sein Trainer, "vielleicht sogar schon zur EM, wenn er so weitermacht und Gas gibt."
Breitenreiter hatte sich seine Worte genau überlegt. Nicht bei jedem hätte eine derartige Eloge auf einer Pressekonferenz den gewünschten Effekt. Doch bei Goretzka ist er sicher, dass sie ihm nicht den Kopf verdreht: "Er ist sehr intelligent und sehr ehrgeizig, auch mal sauer, wenn's nicht läuft."
Bei Goretzka läuft's - bei Schalke nicht
Auch wenn Schalke vor dem Heimspiel gegen Hannover 96 am Freitagabend in fünf Bundesligapartien in Folge sieglos war - bei Goretzka läuft's derzeit. Der Ex-Bochumer, der vor zweieinhalb Jahren für geschätzte vier Millionen Euro vom VfL zu den Königsblauen wechselte, ist neben Senkrechtstarter Leroy Sané der bislang beste Feldspieler der Saison. Im "Bubi-Mittelfeld" mit Sané (19), Max Meyer (20) und dem zuletzt gesperrten Johannes Geis (22) ist der 20-Jährige als offensivere Hälfte der Doppel-Sechs wichtige Schaltzentrale mit Führungsqualitäten.
"Er ist nicht umsonst Kapitän der U21-Nationalmannschaft", merkte Breitenreiter an, "er ist auf dem besten Weg, auch hier zu einem Führungsspieler zu werden." Diesen Eindruck hatte der neue Trainer zu Beginn der Saison noch überhaupt nicht. "Mir fiel auf, wie zurückhaltend er war. Er hatte kein Vertrauen in seinen Körper."
Anlaufschwierigkeiten
Goretzka hatte nach seinem Wechsel und einigen Anlaufschwierigkeiten, weil er neben seiner Profikarriere noch sein Abitur machte, zwar seine enormen Fähigkeiten schon angedeutet. Doch ein Muskelbündelriss kostete ihn fast die komplette vergangene Saison. Die lange Verletzungspause hatte auch mentale Folgen. "Ich habe mich viel damit beschäftigt, was passiert, wenn ich in den nächsten Sprint gehe", sagte Goretzka, "diese Gedanken mache ich mir jetzt nicht mehr. Ich habe das Vertrauen in meinen Körper wiedergefunden."
In seiner dritten Spielzeit auf Schalke lässt der Ex-Bochumer erahnen, warum ihn sein ehemaliger Trainer Peter Neururer als "Jahrhunderttalent" bezeichnete. Zu seinen Qualitäten als Spielgestalter und Vorbereiter - wie zuletzt vor dem Tor von Eric Maxim Choupo-Moting beim 1:1 in Leverkusen - kommt eine immer stärkere körperliche Präsenz. Goretzka rennt, kämpft, grätscht, erobert viele Bälle - und überrascht damit auch Breitenreiter. "Ich hatte ihn wegen Schwächen in der Defensive eher rechts offensiv gesehen", gab der Coach zu, "aber jetzt ist er aus dem Zentrum nicht mehr wegzudenken."
Auf zehn Millionen Euro taxiert transfermarkt.de den Marktwert des 20-Jährigen mittlerweile; Bundestrainer Joachim Löw schickte ihn im vergangenen Jahr vor der WM in Brasilien schon einmal für die A-Nationalmannschaft aufs Feld und nennt beständig seinen Namen, wenn er von der nächsten Generation im deutschen Fußball spricht. Für Goretzka alles eine Frage der Gesundheit: "Jetzt habe ich den Kopf frei und kann mich auf Fußball konzentrieren. Das spiegelt sich auf dem Platz wider."





























