Im vergangenen Jahr kam Nico Walther aus dem Nichts, in der anstehenden WM-Saison könnte der ehemalige Rodler die Kräfteverhältnisse im deutschen Bobsport neu sortieren. Ein kometenhafter Aufstieg.
Etwa vier Jahre ist es her, da führten die beiden großen Männer des deutschen Kufensports ein folgenschweres Gespräch. Rodel-Cheftrainer Norbert Loch nahm seinen Amtskollegen aus dem Bobsport zur Seite, und Christoph Langen hörte gut zu. "Du", sagte Loch, "ich hab' hier einen Rodler, das wäre ein Mann für dich."
Der Mann heißt Nico Walther - und vor der neuen WM-Saison, die am Wochenende in seiner sächsischen Heimat Altenberg startet, ist er längst der Shootingstar im deutschen Bobsport. "Fahrerisch gehört er schon jetzt zu den Weltbesten", sagte Bob-Trainer Langen dem SID: "Er ist total ehrgeizig und sehr selbstkritisch."
Glorreiche Debütsaison
Der 25-Jährige schickt sich damit an, die Kräfteverhältnisse neu zu sortieren, schon in seiner Weltcup-Debütsaison im vergangenen Winter griff er die etablierten Weltmeister Francesco Friedrich und Maximilian Arndt an. Bereits auf der dritten Weltcupstation, ebenfalls in Altenberg, holte er damals seinen ersten Sieg in der Königsdisziplin Viererbob. Bei der WM in Winterberg folgte Silber im großen Schlitten.
"Daran werde ich mich ein Leben lang erinnern", sagt Walther heute, "wenn es jetzt zum Saisonauftakt wieder mit einem Sieg vor heimischem Publikum klappt, das wäre grandios." Im Zweier und Vierer holte er vor wenigen Tagen die deutschen Meistertitel, vor allem der große Schlitten hat es ihm angetan: "Der ist schneller, anspruchsvoller zu fahren, und dieses Teamgefühl am Start ist einfach einzigartig."
Walther ist damit voll angekommen im neuen Sport, dabei hatte er sich anfangs beharrlich gegen die Idee der beiden Bundestrainer gesträubt. "Er hat es nicht eingesehen, er wollte nicht", sagt Loch: "Immerhin war er Juniorenweltmeister im Doppelsitzer." Doch man habe früh gewisse Defizite erkannt, die im Rodelsport eine große Karriere verhindert hätten.
Hüftsteif mit schnellen Beinen
"Er hatte am Start Probleme, weil er doch relativ hüftsteif war", sagt Loch: "Aber wir wussten: Der Junge hat so schnelle Beine, der kann laufen, seine Zukunft ist der Bobsport." Der Weg vom offenen Schlitten in den geschlossenen ist dabei nicht ungewöhnlich, oft reifen ehemalige Rodler zu den besten Bobpiloten heran.
Auch Vierer-Weltmeister Arndt ging diesen Weg, der 28-Jährige hat bei 1,80 m Körpergröße aber stets mit athletischen Nachteilen am Start zu kämpfen. Walther bringt auch hier Gardemaß mit, wirft bei knapp 1,90 m fast 100 kg in die Eisrinne.
Mit all diesen Voraussetzungen ist Walther in diesem Winter kein unbeschriebenes Blatt mehr - er sagt, das kümmere ihn nicht. "Auf der Bobbahn fahre ich Bob. Ob die anderen mich kennen oder nicht, das ist mir egal", sagt der Sachse. Auf der heimischen Bahn in Altenberg soll am Wochenende ein Sieg her. Und bei der WM im Februar in Igls "will ich Edelmetall in beiden Disziplinen".
Das Gespräch zwischen Loch und Langen vor einigen Jahren ist heute übrigens immer mal wieder ein Thema. "Nico kommt dann an und sagt: Vielen Dank, dass du mich damals gezwungen hast", erzählt Loch.