Emma Aicher gewinnt zum dritten Mal ein Weltcup-Rennen - und stiehlt dabei den Abfahrts-Königinnen die Show.
Emma Aicher warf den Kopf in den Nacken und schrie ihre Freude in den strahlend blauen Himmel über St. Moritz - im gleichen Augenblick senkte Lindsey Vonn ein wenig enttäuscht den Kopf. Mit einer nahezu perfekten Fahrt stahl die 22 Jahre alte deutsche Allrounderin der umjubelten Amerikanerin sowie der zweiten Speed-Königin Sofia Goggia die Show und feierte den dritten Weltcupsieg ihrer Karriere.
"Ich bin schon sehr zufrieden", sagte die gewohnt gelassene Aicher in der "ARD", "ich habe versucht, es etwas mehr laufen zu lassen, mit mehr Zug, das hat glaube ich ganz gut funktioniert." Und wie es funktionierte! Am Vortag, als die 41 Jahre alte Vonn die Konkurrenz bei ihrem 83. Weltcupsieg düpiert hatte, war Aicher schon auf Rang fünf gefahren - beinahe spielerisch legte sie in der zweiten Abfahrt am Samstag eine Schippe drauf.
Aus deutscher Sicht hätte die Dramaturgie kaum gelungener sein können. Vonn hatte gerade die Bestzeit von Goggia um 0,05 Sekunden unterboten: Die italienische Olympiazweite zuckte mit den Achseln, die Amerikanerin warf sich in Triumphpose und ließ sich vom Publikum feiern, als habe sie schon wieder gewonnen. Zwei Minuten später kam Aicher: 0,24 Sekunden war sie schneller als die davon leicht irritierte Vonn.
Aichers Teamkollegin Kira Weidle-Winkelmann platzierte sich mit 1,34 Sekunden Rückstand auf Rang 14. Die nationale Olympianorm hatte sie am Freitag mit Rang acht erfüllt. Eine bessere Platzierung am Samstag vergab die WM-Zweite von 2021 durch einen Fehler im oberen Streckenteil der Corviglia, als sie nach einem misslungen Sprung beinahe auf dem Hosenboden gelandet wäre. Aicher blieb ohne Missgeschick.
Sonntag folgt noch der Super-G
Bemerkenswert: Weil Aicher im Weltcup alle Disziplinen fährt, verbringt sie kaum Zeit auf den langen Abfahrtsskiern: Eine Woche im September beim Trainingslager in Chile, ein Tag Super-G-Training in Copper Mountain/USA im November - das war es schon vor der Reise nach St. Moritz. Aicher aber ist ein Naturtalent in den Speed-Disziplinen - ihre nunmehr drei Weltcupsiege gelangen ihr in Abfahrt (2) und Super-G (1).
So nüchtern Aicher in der Öffentlichkeit wirkt, so offen und bisweilen ausgelassen verhält sie sich abseits der Kameras - was eine Herausforderung für die Trainer ist. "Die Emma braucht schon Eckpfeiler", betont DSV-Sportvorstand Wolfgang Maier, "weil sonst ist die Emma unterwegs. Dann gibt es Party und was weiß ich was." Das sei nicht schlimm, "zum harten Arbeiten gehört auch Feiern dazu, aber man muss es richtig einordnen".
Doch offensichtlich weiß Aicher schon, wann sie feiern kann. Am Samstag, sagte sie, sei dafür "keine Zeit, ich muss mich aufs Rennen morgen vorbereiten". Am Sonntag ist in St. Moritz noch ein Super-G angesetzt.
