In wenigen Stunden steht beim Großen Preis von Abu Dhabi die Entscheidung im Kampf um die Formel-1-Weltmeisterschaft an. Es ist der erste Dreikampf um den Titel seit 15 Jahren. In den Hauptrollen: Die beiden McLaren-Piloten Lando Norris und Oscar Piastri sowie Red-Bull-Star Max Verstappen. Wird die Reifenstrategie die Weltmeisterschaft entscheiden?
Pirelli-Motorsportchef Mario Isola erklärte am Samstag, dass eine Einstopp-Strategie auf dem Yas Marina Circuit "auf dem Papier die schnellste Variante" sei. Dabei würde der erste Stint auf dem Medium-Reifen gefahren, gefolgt von einem Wechsel auf die harte Mischung.
In diesem Szenario begegnen sich alle drei Titelkandidaten auf Augenhöhe, da jeder von ihnen über mindestens einen Satz neuer Mediums und einen Satz neuer harter Reifen verfügt. Das gilt auch für die etwas langsamere Hard-Soft-Variante, da alle die gleiche Anzahl an gebrauchten Soft-Reifen aus dem Qualifying übrig haben.
Graining als Unbekannte
Interessant wird es jedoch vor allem dann, wenn das sogenannte "Graining", das Körnen der Reifen, bei einer möglichen Zweistoppstrategie zum Problem wird. Hier sind Kombinationen aus Medium/Hard/Medium, Medium/Hard/Hard oder Medium/Hard/Soft denkbar.
"Wenn man Graining hat, das Kopfzerbrechen bereitet oder schwer zu managen ist, wechselt man normalerweise recht einfach von einer Einstopp- zu einer Zweistopp-Strategie", gibt Isola zu bedenken. "Denn der durch das Graining verursachte Abbau ist nicht kontrollierbar. Man kann also nur wenig dagegen tun. Bei thermischem Abbau kann man managen, bei Graining ist das viel schwieriger."
"Es ist klar, dass die Teams hier die Hinterreifen schützen wollen, weil die Fahrer gute Traktion benötigen. Dadurch belasten sie die Vorderachse stärker, was Graining erzeugt", so der Italiener weiter. "Aber für das Rennen glaube ich, dass es mit etwas Pace-Management möglich ist, das Graining auf einem Niveau zu halten, das eine Einstopp-Strategie ermöglicht."
Vorteil McLaren bei zwei Stopps?
Der Hauptunterschied bei einer Zweistopp-Strategie liegt in der verfügbaren Reifenverteilung: Beide McLaren-Piloten haben zwei Sätze harter und einen Satz mittlerer Reifen zur Verfügung. Bei Verstappen ist es genau umgekehrt: Er hat einen Satz harte Pneus und zwei Sätze Medium.
"Es ist interessant, dass McLaren beschlossen hat, zwei Sätze der harten Reifen aufzuheben", analysiert Isola. "Sollte es ein Safety-Car geben oder einen anderen Grund, auf zwei Stopps zu wechseln, haben sie einen extra Satz Hards, während die anderen Topteams zwei Sätze Mediums haben. Sie verfolgen also einen etwas anderen Ansatz für den Fall, dass es im Rennen zu Unterbrechungen kommt."
Isola vermutet dahinter eine konservative Herangehensweise von McLaren, um die Performance über die Distanz abzusichern, merkt aber an: "Der Medium ist nicht weit weg [vom Hard], es ist keine komplett andere Situation."
Der Faktor Tsunoda
Schließlich könnte ein Faktor genauso wichtig - wenn nicht sogar entscheidender - werden: die Rolle von Yuki Tsunoda. Der Red-Bull-Pilot kündigte bereits an, bereit zu sein, seine eigene Strategie zu "kompromittieren", um Verstappen zu helfen.
Im Klartext: Er könnte seinen ersten Boxenstopp so lange wie möglich hinauszögern, um die Konkurrenz einzubremsen.
Die McLaren-Piloten hätten dann zwei Optionen: Ebenfalls länger draußen bleiben, bis die Lücke groß genug ist, um vor dem zweiten Red-Bull-Auto wieder auf die Strecke zu kommen. Oder zum theoretisch besten Zeitpunkt stoppen - etwa um auf einen Zug von Verstappen zu reagieren - und sich dann auf der Strecke gegen einen kämpferischen Tsunoda durchsetzen müssen.
Das Szenario weckt Erinnerungen an das Saisonfinale 2021, als Lewis Hamiltons Vorsprung auf Max Verstappen von neun auf zwei Sekunden zusammenschmolz, nachdem er hinter Sergio Perez festgesteckt hatte.
