Ski-Superstar Aleksander Aamodt Kilde ist wieder da - nach langer Leidenszeit und dank Mikaela Shiffrin.
An die schlimmste Zeit seines Sportlerlebens erinnert Aleksander Aamodt Kilde eine zehn Zentimeter lange Narbe, die sich vom linken Schlüsselbein hinunter bis zum Bizeps zieht. Auch das linke Schulterblatt und das rechte Bein des Norwegers sind gezeichnet. "Es war ein Albtraum", sagt der frühere Gesamtweltcupsieger über seine lange Leidenszeit, und ja, "es ging um Leben und Tod."
Jetzt, fast 700 Tage nach jenem verhängnisvollen Rennunfall am 13. Januar 2024 in Wengen, steht Kilde (33) wieder mitten im Leben. Er ist bereit für ein Comeback, das phasenweise so weit weg schien wie sein Heimatort Lommedalen bei Oslo vom Mars. Beim Super-G am Donnerstag (19.00 Uhr/Eurosport und Sportschau-Stream) in Copper Mountain, dem ersten Speedrennen im Olympiawinter, ist es soweit.
"Es kribbelt", sagt er, "ich habe das Gefühl, dass alles gut läuft." Falls das so bleibe, wolle er "mindestens" noch fünf Jahre wettkampfmäßig Skifahren. Die Hochzeit und Kinder mit seiner Verlobten, der Skikönigin Mikaela Shiffrin, müssen so lange warten, Kilde hat genug verpasst.
"Ich werde nie mehr Abfahrt fahren"
Seine Karriere, ja sein Leben hing am seidenen Faden. Als er nach seinem Sturz am Lauberhorn im Krankenhaus aufwachte, versprach er seinen Eltern: "Ich werde nie mehr Abfahrt fahren." Bald aber "habe ich erkannt, dass mein Sinn das Skifahren ist", sagt er.
Gereift ist diese Erkenntnis auch im Zwiegespräch mit Shiffrin. Der Sturz ihres Verlobten, sagt sie, habe ihr "Leben verändert". Da war zunächst die Ungewissheit, dann kamen die schweren Stunden nach der OP am verletzten Bein. "Ich wusste", sagt Shiffrin, "das ist ein lebensbedrohlicher Moment." Kilde konnte anfangs seine Beine nicht bewegen und war "total verängstigt", erinnert sie sich, "so hatte ich ihn noch nie erlebt".
Der Gewinner von je zwei Olympia- und WM-Medaillen saß phasenweise im Rollstuhl und errang trotzdem "den größten Sieg meines Lebens", als ihm Shiffrin im April 2024 die Ehe versprach. Doch bald schon machte die Schulter Sorgen, die er sich beim Sturz ebenfalls verletzt hatte. Im Juli 2024 musste er sich wegen einer drohenden Blutvergiftung einer Not-OP unterziehen, ein weiterer Eingriff erfolgte im September.
Shiffrin steht Kilde zur Seite
Shiffrin stand ihm abermals zur Seite. "Ich habe sie wirklich mehr denn je gebraucht. Sie war mein Fels in der Brandung", sagt er. Ende November 2024 aber stürzte Shiffrin selbst schwer. Neben körperlichen Verletzungen litt sie bald an Panikattacken und einer Posttraumatischen Belastungsstörung.
Kurz nach ihrem Comeback musste Kilde im Februar erneut an der Schulter operiert werden, mithilfe von Sehnen aus seinem Rücken und Oberschenkel wurden lose Muskeln befestigt. Shiffrins 100. Weltcup-Sieg erlebte er im Krankenbett, ihre Rückkehr gab ihm Kraft.
"Seit meinem Sturz und heute verging kein Tag, an dem ich nicht mit ihr geredet hätte. Das sagt eigentlich alles", sagt er über die Rolle seiner Verlobten bei seiner Genesung. Hätte er es ohne sie geschafft? "Absolut nicht!"
Mit Einschränkungen in der Schulter, sagt Kilde, werde er "für immer" leben müssen. Nach wie vor tut er sich schwer, seinen linken Arm bei der Abfahrtshocke in Position zu bringen.
Trotzdem träumt der zweimalige Kitzbühelsieger schon wieder. Olympia 2026, sagt er, wäre "das i-Tüpfelchen". Und eine weitere Medaille sicher ein viel schöneres Erinnerungsstück als eine Narbe.
