Für die Skispringer geht am kommenden Wochenende die neue Weltcup-Saison los. Ein seiner sport.de-Kolumne berichtet Karl Geiger vom komplizierten Packen für die kleine Skandinavien-Rallye.
Die Tür geht fast unhörbar einen Spalt auf und es erscheint ein brauner, buschiger Schwanz, der hin und her wackelt. Ich hatte mich mit meiner Packliste ins Schlafzimmer zurückgezogen, um den Koffer für die ersten Tage des frischen Weltcupwinters zu richten, als Luisa den durchaus ernst gemeinten Hinweis, ich bräuchte nun mal eine Stunde Ruhe zum Packen, mit einer gekonnten Charmeoffensive zu unterlaufen versucht.
Vor mir liegen turbulente Tage. Im Vergleich zu den letzten Jahren, in denen wir in der Regel separate An- und Abreisen für jeden Weltcup vollzogen hatten, ändern sich die liebgewonnenen Abläufe mit den kurzen Ruheinseln in der Heimat. Eine kleine Skandinavien-Rallye liegt vor uns, indem wir innerhalb von dreizehn Tagen Qualifikationen und Wettkämpfe in Norwegen, Schweden und Finnland absolvieren werden: die Weltcups in Lillehammer, Falun und Kuusamo stehen an und werden den Athleten einiges an Kraft und Energie jenseits der Schanzen kosten.
Die freien Tage werden zu den Reisen genutzt werden: mit dem Bus von Lillehammer nach Falun, und mit dem Flugzeug weiter nach Finnland, bevor es dann wieder zu den Familien geht.
Dreizehn Tag Skandinavien in dieser Jahreszeit wollen kleidungstechnisch geplant sein, da einem von minus 20 Grad bis 3 Grad Nieselregen einfach alles begegnen kann.
Als ich mir die ersten Stapel unterschiedlichster Textilien aufs Bett zurechtgelegt habe, um dann in Ansehung der Koffergröße die Abwägungen vorzunehmen, erscheint der buschige Schwanz in die Türspalte, den ich nur zu gut kenne und an dessen Ende ich die kleine Hand meiner Tochter erahne.
Luisa fällt es offenbar schwer, mir diese eine Stunde zu schenken, in denen ich gedanklich von langen zu dünnen Unterhosen, von Pullovern unterschiedlicher Dicke zu Regenjacken schwanke und bietet mir kurzerhand an, Nordi- das Eichhörnchen, eines ihrer Lieblingsstofftiere, einst Maskottchen der Nordischen Skiweltmeisterschaft in Oberstdorf, auch miteinzupacken.
Ein Liebesbeweis besonderer Art, den ich zu schätzen weiß, durchaus auch mit hoher Symbolkraft, steht der Eichhörnchen- Schwanz funktional für Balancierung und Steuerung der Sprünge von Baum zu Baum, für die Komponenten also, die ich für die meine Sprünge auch benötige.
Mit der Versicherung, dieses Angebot in alle Überlegungen des Packens mit einzubeziehen und dass ich schneller wieder zur Verfügung stehe, wenn ich ein wenig Zeit für mich habe, schließt sich der Türspalt wieder. Von allem etwas, aber immer wenig. Ich entscheide mich für ein breites Spektrum dünner und dicker Sachen, muss aber so auch Platz für die Handwaschmittel einplanen. Zwischen die Ritzen der Sachen werden nun noch Energieriegel eingelegt, der Koffer schließt nur noch schwer.
Das Abenteuer Weltcup geht in eine neue Runde, auch wenn Nordi diesmal doch lieber bei Luisa bleiben möchte.
Herzliche Grüße
Karl Geiger

