Der Schach-Weltverband FIDE hat im Rahmen seiner Untersuchung gegen Ex-Weltmeister Vladimir Kramnik offiziell Beschwerde bei der Ethik- und Disziplinarkommission (EDC) eingereicht. Im Zusammenhang steht der Schritt mit dem tragischen Tod von Großmeister Daniel Naroditsky.
Wie die FIDE am Dienstag mitteilte, wurde ihrerseits eine offizielle Beschwerde über das Verhalten von Ex-Weltmeister Vladimir Kramnik bei der Ethik- und Disziplinarkommission (EDC) eingereicht. In der schriftlichen Beschwerde wird Kramnik schwerwiegendes Fehlverhalten über einen Zeitraum von rund zwei Jahren zur Last gelegt.
Im Rahmen ihrer Untersuchung hat die FIDE zahlreiche Statements und weiteres Material des 50-Jährigen zusammengestellt, das einen Verstoß gegen die Verhaltensrichtlinien nahelegt. Die EDC soll nun feststellen, ob Kramnik die Würde Naroditskys beleidigt und den verstorbenen Großmeister über die Grenzen hinaus belästigt hat.
In der Beschwerde sind zudem Aussagen von Personen aus Naroditskys Umfeld sowie des Großmeisters David Navara enthalten.
Stellt die EDC ein Fehlverhaltens Kramniks fest, drohen dem ehemaligen Weltmeister weitere Konsequenzen. Wie genau diese aussehen könnten, kann nur spekuliert werden. Gefordert wurde von prominenten Köpfen des Sports unter anderem schon, dass ihm sein Weltmeister-Titel aberkannt wird.
Kramnik will Schach-Betrüger bloßstellen
Kramnik hatte es sich vor einigen Jahren zur persönlichen Aufgabe gemacht, den Schach-Sport "sauberer" zu machen und Betrüger bloßzustellen. In diesem Zuge veröffentlichte er zahlreiche Videos und unzählige Posts in den sozialen Medien, in denen seiner Auffassung nach verdächtige Partien zu sehen waren. Dazu präsentierte er zahlreiche Statistiken, die jedoch teils gravierende Mängel aufwiesen und schnell widerlegt bzw. erklärt wurden. Diese Einwände wischte er jedoch rigoros beiseite.
Der in der Schweiz lebende Russe bekräftigte zwar stets, niemanden direkt des Betrugs beschuldigt zu haben. Seine Aussagen, Videos und Posts ließen jedoch nur wenig Raum für andere Interpretationen. Zu seinen bekanntesten Adressaten gehörte neben Naroditsky und Navara auch US-Großmeister Hikaru Nakamura, der sich öffentlich mit deutlichen Worten gegen Kramnik wehrte.
"Was hat man davon, das Leben von jemanden zu ruinieren?"
Anders als Nakamura beschäftigten Kramniks Aussagen Naroditsky dagegen sehr. Dies machte er in seinem letzten Live-Stream wenige Stunden vor seinem Tod am 19. Oktober abermals deutlich. Auch in vielen Interviews zuvor betonte Naroditsky, wie schwer ihn die Aussagen und Verdächtigungen Kramniks trafen.
In der Profischach-Szene hat sich längst eine breite Front gegen Kramnik formiert. Viele Top-Spieler schieben ihm die Verantwortung für den Tod Naroditskys zu.
Darunter unter anderem der indische Großmeister Nihal Sarin, der dem "Indian Express" sagte: "Kramniks Methode ist offenbar, eine ganze Stadt niederzubrennen, um einige Betrüger zu fassen. Man tötet Tausende Unschuldige, um ein oder zwei Kerle zu erwischen. Ich verstehe nicht, was er davon hat. Was hat man davon, das Leben von jemanden zu ruinieren? Und jetzt ist er fast direkt dafür verantwortlich, eins genommen zu haben."
Kramnik braucht "professionelle Hilfe"
Auch GM Levon Aronian klagte Kramnik öffentlich an. Der Armenier hatte zunächst noch versucht, Kramnik die Hand zu reichen und ihn zur Vernunft zu bringen. Doch der Russe ging darauf nicht ein und machte auf seiner irrgeleiteten Jagd nach Betrügern weiter.
"Er ist an einem Ort, an der er professionelle Hilfe benötigt. Ich denke nicht, dass er bereit dafür ist, seine Meinung zu ändern", sagte Aronian über Kramnik, der in seinen Statements immer wieder gegen die "Schach-Mafia" wetterte und behauptete, die FIDE und große Online-Plattformen wie "chess.com" seien gar nicht daran interessiert, Betrüger zu fassen.

