Die bisher letzte Großtat von Max Verstappen auf dem Drama-Kurs von Interlagos ist Warnung genug für den neuen Formel-1-Spitzenreiter Lando Norris. Dennoch erinnerte der 28 Jahre alte Red-Bull-Star seinen McLaren-Rivalen vor dem möglicherweise erneut chaotischen Rennwochenende in Brasilien schnell noch mal dran. "Das war ein emotionaler Sieg und ein wichtiger Moment für die Meisterschaft", sagte Verstappen.
Denn Norris war vor einem Jahr der Leidtragende im WM-Kampf, als Verstappen beim Großen Preis von São Paulo vom 17. Startplatz zum Sieg raste und die Saison mit dem vierten WM-Triumph für den Niederländer nacheinander endete. Wird einer der geschichtsträchtigsten Kurse der Motorsport-Königsklasse wieder zum Mitentscheider im Titelkampf?
Entweder verkürzt Verstappen weiter auf Platz eins und bleibt im Rennen um seinen fünften Weltmeister-Triumph in Serie oder die danach anstehenden drei Grand Prix werden zum internen Ausscheidungsrennen von McLaren zwischen Norris und Oscar Piastri. Der Australier musste seinen Spitzenplatz im Klassement in Mexiko räumen - mit einem Punkt weniger als Norris. Verstappen hat vor dem Brasilien-Showdown 36 Zähler Rückstand auf Rang eins.
Verstappens besondere Beziehung zu Brasilien
Angeführt hat Verstappen die WM in diesem Jahr noch gar nicht. Rein theoretisch könnte er bis auf drei Punkte rankommen bei der Maximal-Ausbaute von acht Punkten für den Sieg im Sprint am Samstag (15:00 Uhr MEZ/Sky) und 25 für den Sieg am Sonntag beim Großen Preis (18.00 Uhr MEZ/Sky). Und Brasilien ist nicht irgendein Land für Verstappen: Freundin Kelly Piquet ist die Tochter des dreimaligen Weltmeisters Nelson Piquet aus Brasilien.
Hinzu kommt, dass der Kurs am Rande der größten Stadt des Landes kombiniert mit teilweise extremen Wetterbedingungen wie gemacht ist für einen Vollblut-Racer wie Verstappen. "Es kann heftig regnen, die Rennen können ziemlich verrückt sein", betont Verstappen.
So wie 2016. Da war Verstappen gerade mal 19 Jahre alt, als er auf nasser Strecke vom zwischenzeitlichen 14. Rang als Dritter noch aufs Podest raste und die Fachwelt plus den eigenen Vater in Erstauen versetzte. "So etwas habe ich noch nie gesehen", meinte damals Vater Jos. "Ich kenne ihn lange, ich habe viele Rennen gesehen, aber das war unglaublich."
Oder wie vor einem Jahr: Startplatz 17 für Verstappen. Platz eins am Ende eines denkwürdigen Regenrennens - nur wenige Stunden nach der auf den Sonntag verschobenen Qualifikation.
Ein solches Chaos-Szenario ist auch diesmal nicht auszuschließen. Nicht deswegen dürfte McLaren vorher um Normalität und Harmonie bemüht sein. "Das beste Duo", postete die Social-Media-Abteilung jüngst. Piastri plauderte in einem anderen Beitrag dann auch noch ein bisschen über seine Schlafgewohnheiten und beide erzählten, wie es ist, im Nassen zu fahren.
Seit April führte Piastri die WM an, baute aber zuletzt ab. Eine Nummer eins wollte McLaren nie ausrufen, auch nicht, als der Australier klar führte. Seit Wochen schwächelt er und kommt mit dem Wagen nicht zurecht. Im Gegensatz zu Norris.
Verstappen Senior stichelt
"Ich finde es ziemlich seltsam, was bei McLaren passiert", sagte Max Verstappens Vater Jos nun im niederländischen "De Telegraaf": "Piastri hat doch nicht plötzlich das Fahren verlernt. Wenn ich er oder sein Manager wäre, würde ich intern einmal mit der Faust auf den Tisch schlagen."
Verschwörungstheorien machen auch in der Formel 1 gern ihre Runden. "McLaren bevorzugt den englischen Fahrer Norris. Er hat für sie mehr Star- und Vermarktungsqualitäten, hat mehr Kamerapräsenz und Öffentlichkeit", sagte der ehemalige jahrzehntelange Formel-1-Geschäftsführer Bernie Ecclestone RTL/ntv und sport.de.
In Mexiko-Stadt wurde Norris nach seinem souveränen Sieg zuletzt sogar ausgepfiffen. Vor allem ein Zwischenfall beim Italien-Rennen hatte die Fan-Gemüter erhitzt. Nach einem Boxenstopp von Norris, der ohne einen Fehler des Fahrers verpatzt worden war, wurde Piastri angewiesen, den Briten wieder überholen zu lassen. Nach diesem Rennen setzte Piastris Schwächephase ein.
Die Sache mit zwei Söhnen
Die Teamverantwortlichen von McLaren wollen von ihrem Fairness-Kurs auch in den alles entscheidenden Rennen keinen Zentimeter abrücken. "Es ist so, als habe man zwei Söhne und wird gefragt, wen hast du lieber? Es sind beide meine Söhne", betonte Teamchef Andrea Stella Podcast "F1 Beyond the Grid".
"Sollte das Gleiche passiere wie 2007", sagte Geschäftsführer Zak Brown: "Dann habe ich lieber diesen Ausgang als all die anderen Möglichkeiten, weil wir einen von beiden Fahrern favorisieren würden."
Vor 18 Jahren war das Stallduell zwischen dem damaligen Neuling Lewis und dem frischgebackenen zweimaligen Weltmeister Fernando Alonso allerdings komplett eskaliert. Am Ende triumphierte Kimi Räikkönen mit einem Zähler mehr als die punktgleichen McLaren-Rivalen. In Brasilien, übrigens.


