Ex-Referee Urs Meier stieß zuletzt bei RTL/ntv und sport.de eine Debatte über das Niveau des deutschen Schiedsrichterwesens an. Er äußerte Kritik und schoss auch scharf gegen den Deutschen Fußball-Bund. Nun antwortet Knut Kircher, Chef der deutschen Elite-Schiris.
Der einstige FIFA-Schiedsrichter Urs Meier hatte unter anderem das Ausbildungs- und Förderungssystem im deutschen Schiedsrichterwesen grundsätzlich kritisiert und gesagt: "Es gibt keine professionellen Strukturen, keine echten Profi-Schiedsrichter in Deutschland. Das wäre längst überfällig."
Im Gespräch mit RTL/ntv und sport.de äußerte sich nun Schiedsrichter-Boss Knut Kircher in der angestoßenen Debatte und verteidigte das Schiedsrichterwesen hierzulande mit ebenso deutlichen Worten.
"Wir arbeiten weiter an einer Professionalisierung – im Sinne von Qualifizierung und Weiterentwicklung", stellte der langjährige Bundesliga-Referee klar und konkretisiert: "In vielen Bereichen haben wir mit der Entwicklung des Fußballs Schritt gehalten. Nehmen Sie die Professionalisierung – das gesamte Umfeld, das wir heute für unsere Schiedsrichter geschaffen haben. Technische Aspekte wie Headsets, Piepserfahnen oder Public Announcements helfen enorm."
Auch den vom Schweizer Urs Meier formulierten Vorwurf, es fehle im deutschen Schiedsrichterwesen bisweilen an Fußball-Kompetenz und der richtigen Talente-Förderung, ließ Kircher nicht stehen.
"Nein, ich behaupte nicht, dass es den Schiedsrichtern an Fußballkompetenz fehlt. Der Fußball entwickelt sich ständig weiter – mit neuen Bewegungsabläufen, Dynamiken und Spielweisen. Wir tauschen uns mit Spielern, Trainern und Analysten aus – etwa über die Akademie. Auch deshalb haben wir Felix Brych eingebunden, um das Thema gezielt weiter auszubauen."
Außerdem sei die Zusammenarbeit mit den Nachwuchsleistungszentren der deutschen Profi-Vereine in den vergangenen Jahren sukzessive verbessert worden, "um früh Fußballkompetenz bei unseren Schiedsrichtern zu fördern".
Außerdem gäbe es so die Möglichkeiten, junge Talente für das Schiedsrichterwesen zu begeistern: "Vielleicht gibt es junge Fußballer, die den Durchbruch nicht schaffen, verletzte Spieler oder solche, die früher aufhören – auch sie könnten den Weg in die Schiedsrichterei einschlagen."
Der Behauptung, Deutschland würde es auch in der internationalen Spitze an Schiedsrichtern fehlen, trat der 56-Jährige ebenfalls entgegen: "Ich finde, die deutschen Schiedsrichter sind aktuell sehr gut unterwegs. Ein Finale mit Felix Zwayer, Einsätze bei der Klub-WM sowie Halbfinals in der Champions League – unter anderem mit Daniel Siebert und erneut Felix Zwayer. Das zeigt, dass unsere Schiedsrichter international anerkannt und erfolgreich sind."
Alle Aussagen aus dem Gespräch von RTL/ntv und sport.de mit Knut Kircher, dem sportlichen Leiter der deutschen Elite-Schiedsrichter:
Knut Kircher über:
... Schiedsrichter-Mindset und Teamverständnis:
"Ich behaupte frech: Wir sind das 19. Team der Bundesliga – oder das 21. in der dritten Liga. Dieses Mindset ist bei allen Aktiven vorhanden. Die Schiedsrichterei steht an erster Stelle. Wir sind über ganz Deutschland verteilt, kein klassisches Fußballteam mit täglichem Training. Das Modell, das wir aktuell leben, funktioniert unter nahezu maximal professionellen Bedingungen."
"Wir sagen unseren Schiedsrichtern ganz klar: 'Mein Spiel, meine Entscheidung' – oder eben: 'Dein Spiel, deine Entscheidung.' Trau dich, triff eine Entscheidung. Spieler merken sofort, ob ein Schiedsrichter Verantwortung übernimmt oder abwartet. Abwarten wäre ein Armutszeugnis – und dem wirken wir entgegen."
"Es ist zu plakativ zu sagen: Jetzt sollen alle nur noch pfeifen und sich voll darauf konzentrieren – dann werden automatisch alle besser. Dieses Mindset haben unsere Schiedsrichter längst verinnerlicht."
... über Professionalisierung und Entwicklung:
"Wir arbeiten weiter an einer Professionalisierung – im Sinne von Qualifizierung und Weiterentwicklung. Daraus ergibt sich auch das Thema Eingriffsschwelle: klar und offensichtlich. Wenn ich 25 Zeitlupen oder fünf Minuten brauche, war es nicht klar und offensichtlich."
"Ja, in vielen Bereichen haben wir mit der Entwicklung des Fußballs Schritt gehalten. Nehmen Sie die Professionalisierung – das gesamte Umfeld, das wir heute für unsere Schiedsrichter geschaffen haben. Technische Aspekte wie Headsets, Piepserfahnen oder Public Announcements helfen enorm."
"Wir denken darüber nach, den Schiedsrichtern mehr Sicherheit zu geben – ähnlich wie bei Spielern mit Zwei-, Drei- oder Vierjahresverträgen. Aber einfach ‚Profischiedsrichter‘ zu fordern, ist zu global und polemisch. Man muss sich intensiv mit der arbeitsrechtlichen Lage auseinandersetzen."
... über Talentförderung und Perspektiven:
"Es gibt vielleicht neue Schiedsrichterpersönlichkeiten – manche wissen noch gar nicht, dass sie eine große Karriere vor sich haben. Unsere Aufgabe ist es, die Richtigen herauszufiltern und gezielt zu fördern. Nicht alle werden es schaffen, aber wir wollen Leuchtturmschiedsrichter hervorbringen."
"Die Schiedsrichter werden gezielt einem Coach zugeteilt – je nach individuellem Handlungsfeld. Wenn etwa Körpersprache ein Thema ist, bekommt der Schiedsrichter ein Coaching mit genau diesem Schwerpunkt. Wir wollen keine Verwaltung oder Stagnation, sondern Fortschritt. Wenn wir diesen nicht erkennen, denken wir auch über personelle Wechsel nach."
... über Fußballkompetenz:
"Nein, ich behaupte nicht, dass es den Schiedsrichtern an Fußballkompetenz fehlt. Der Fußball entwickelt sich ständig weiter – mit neuen Bewegungsabläufen, Dynamiken und Spielweisen. Wir tauschen uns mit Spielern, Trainern und Analysten aus – etwa über die Akademie. Auch deshalb haben wir Felix Brych eingebunden, um das Thema gezielt weiter auszubauen."
"Wir bieten es an: Wir sind bereits an Nachwuchsleistungszentren angedockt, um früh Fußballkompetenz bei unseren Schiedsrichtern zu fördern. Vielleicht gibt es junge Fußballer, die den Durchbruch nicht schaffen, verletzte Spieler oder solche, die früher aufhören – auch sie könnten den Weg in die Schiedsrichterei einschlagen."
... über Leistungsprinzip und Vertrauen:
"Wir führen Gespräche mit unseren Schiedsrichtern, schenken ihnen Vertrauen – und dann geht es um Fehlerkultur. Wenn ein Schiedsrichter danebenliegt, sagen wir: ‚Pass auf, kann passieren.‘ Wenn er sonst 89 Minuten sehr gut gepfiffen hat, lassen wir ihn bewusst auch am folgenden Wochenende wieder raus."
"Das Leistungsprinzip gilt: Wer gute Leistungen bringt, wird mit Mehransetzungen belohnt. Das haben die Schiedsrichter verinnerlicht. Manchmal bedeutet das auch, dass jemand eine Liga tiefer pfeift, um neuen Schwung zu holen."
... über VAR und Eingriffsschwelle:
"Ich sehe darin zwei Aspekte. Erstens: Das war ein exemplarisches Beispiel für die Eingriffsschwelle – klar und offensichtlich. Der VAR hat zu Recht eingegriffen. Warum der Schiedsrichter das nicht gesehen hat, liegt an der Geschwindigkeit und der Wahrnehmung. Die Szene wurde als rücksichtslos bewertet – das war falsch."
"Mir ist es am liebsten, wenn auf dem Feld bereits die richtige Entscheidung getroffen wird. Dann muss der VAR gar nicht eingreifen – und die Akzeptanz ist maximal hoch."
"Ich benutze den VAR nicht, um den Fußball gerechter zu machen, sondern um klare, offensichtliche Fehlentscheidungen aufzulösen. Das ist die Zielrichtung – und auf diesen Weg haben wir uns begeben."
"Ich spreche von der Zeit rund um die Einführung und Eingewöhnung des VAR, in der man hier und da den Eindruck gewinnen konnte, dass sich etwas verändert hat. Vertrauen zahlt sich aus – in Leistung und Entwicklung."
... über internationale Anerkennung:
"Ich finde, die deutschen Schiedsrichter sind aktuell sehr gut unterwegs. Ein Finale mit Felix Zwayer, Einsätze bei der Klub-WM sowie Halbfinals in der Champions League – unter anderem mit Daniel Siebert und erneut Felix Zwayer. Das zeigt, dass unsere Schiedsrichter international anerkannt und erfolgreich sind."
































