Trotz aller Nebengeräusche hat Thomas Tuchel England als erstes europäisches Team zur WM geführt - nächstes Jahr soll der Titel her.
Thomas Tuchel lachte herzhaft. "Ich habe ein bisschen was einstecken müssen", sagte er mit einem breiten Grinsen, nachdem ihn die englischen Fans auf dem Weg zur WM mit ihren Liedern ordentlich gepiesackt hatten. "Das ist völlig in Ordnung", sagte Tuchel, der die Anhänger der Three Lions bekanntlich zuletzt ja als zu leise kritisiert hatte: "Es war kreativ und hat mich zum Lächeln gebracht. Das ist britischer Humor, und ich kann damit umgehen, es hat nichts geschadet."
Ganz und gar nicht. Stürmerstar Harry Kane und Co. fegten in Riga mit 5:0 (3:0) regelrecht über Lettland hinweg, England sicherte sich so auf Tuchels Titelmission als erstes Team aus Europa das Ticket für das XXL-Turnier in den USA, Mexiko und Kanada. Und wie. Sechs Spiele, sechs Siege, 18:0 Tore - besser könnte Tuchels Bilanz trotz all der Störgeräusche zuletzt kaum sein. Da fiel es dem deutschen Teammanager leicht, die Sprechchöre wie "Sind wir dir heute laut genug?", "Thomas Tuchel, wir singen, wenn wir es wollen" oder "Thomas, gib uns ein Lied" locker wegzulächeln.
Tuchel macht vor Stars wie Jude Bellingham keinen Halt
Tuchels Aufgabe im nächsten Sommer wird ungleich komplizierter - bei der WM zählt dann 60 Jahre nach dem Heim-Triumph von Wembley nur der Titel. "Dieses Land hat hohe Erwartungen", sagte BBC-Experte Conor Coady. Und Tuchel will sie mit aller Macht erfüllen, auf seinem Weg scheut der 52-Jährige auch keine unpopulären Maßnahmen. So blieben etwa zuletzt Superstar Jude Bellingham (Real Madrid) oder Phil Foden (Manchester City) außen vor. Und Tuchel schwärmte in Riga fast demonstrativ von dem offenbar außergewöhnlich guten Geist im Team.
"Die Stimmung ist sehr gut, alle lächeln, und es wird Musik gespielt. Es ist ein Moment, den man genießen muss", sagte Tuchel: "So etwas kann man nicht künstlich erzeugen. Es ist ein besonderer Abend." Und auch Kane, der wieder einmal doppelt traf, meinte: "Jeder Moment zählt. Es geht darum, etwas Besonderes aufzubauen. Das haben wir in den letzten Trainingslagern getan."
Nun hat Tuchel ein halbes Jahr Zeit, um an seiner Titeltaktik zu feilen. Kane und Co. seien von seinem Power-Stil mit viel Einsatz und vielen Sprints "überzeugt", zudem spiegelt er "die englische Fußballkultur" wider: "Sie verlassen sich nicht nur auf ihr Talent, sondern sie arbeiten hart für ihre Tore."
Tuchel will den WM-Titel mit England
Doch nicht nur Tuchel weiß, dass die Hitze im nächsten Sommer England Probleme machen könnte. "Es ist etwas anderes, ob man bei 40 Grad am Nachmittag oder bei acht Grad im Regen spielt", sagte er: "Wir werden uns anpassen, wenn wir uns anpassen müssen."
Und wenn es im nächsten Jahr um alles geht, hofft Tuchel auch wieder auf die englischen Fans. "Die Unterstützung heute war großartig, und wir sind uns sicher, dass die Unterstützung in Amerika ebenfalls großartig sein wird", sagte er: "Wir wollen die Fans stolz und glücklich machen". Und dafür soll der Titel her.
