Die Cleveland Browns haben Quarterback Joe Flacco eine Woche nach seiner Degradierung zum Backup zu den Cincinnati Bengals getradet, die offenkundig einen neuen QB brauchten. Doch lohnt sich dieser Trade vor allem für Cincy?
Die Browns haben in den ersten vier Wochen der Saison offensiv nicht viel zustande gebracht. Ihre beste Punktausbeute waren 17 gegen die Baltimore Ravens - beim 17:41 in Baltimore. In Flaccos letzten beiden Starts waren es noch zehn, respektive 13 Zähler - obgleich die 13 gegen die Packers irgendwie gereicht haben (13:10). Entsprechend zogen die Browns nach vier Wochen die Reißleine und übergaben das Ruder an Drittrundenpick Dillon Gabriel.
Jener verlor zwar auch seinen ersten Start in London gegen die Minnesota Vikings (17:21), doch die allgemeine Meinung danach war, dass dieser Auftritt vom Rookie durchaus kompetent wirkte und die Browns nun zumindest mal auf dem richtigen Weg sind. Entsprechend war Flacco abkömmlich und es hat den Nebeneffekt, dass nun das konstante Störfeuer Shedeur Sanders offiziell der Backup ist und nicht mehr der Notfall-QB, der inaktiv am Gameday ist.
Die Bengals wiederum sind offensiv seit der Verletzung von Joe Burrow auseinandergebrochen. Jake Browning sah zwar noch ordentlich aus, als er in Woche 2 mitten im Spiel für Burrow übernahm und das Team mit zwei Touchdowns (3 INT) zum Sieg über die Jaguars führte, doch danach zeigte sich, dass er womöglich doch überfordert ist. Nur Geno Smith (9) hat mehr Interceptions geworfen als Browning (8) in dieser Saison!
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Bengals ziehen die Reißleine
Die Bengals, die bei 2-3 stehen in einer Division, in der nur die Pittsburgh Steelers (4-1) gerade eine positive Bilanz aufweisen, zogen also die Reißleine und setzen nun auf die Präsenz von Veteran Joe Flacco, der mit seinen 40 Lenzen alles gesehen hat.
Wird das also nun dazu führen, dass die Bengals wieder in die Spur finden? Mitnichten. Wird Flacco weniger Fehler machen als sein Vorgänger? Flacco hat selbst bereits sechs Interceptions geworfen und belegt damit Rang 3 der NFL.
Und man sollte jetzt nicht davon ausgehen, dass er in Cincy deutlich bessere Umstände vorfinden wird. Was für ihn und die Bengals spricht, ist, dass Cincy über fähige Receiver verfügt, allen voran Ja'Marr Chase und Tee Higgins. Doch die Offensive Line ist nicht merklich besser als die in Cleveland.
Laut "Next Gen Stats" stehen die Browns bei einer zugelassenen Pressure Rate von 39,8 Prozent. Die Bengals? 38,1 Prozent. Und dennoch hatten Browns-Quarterbacks sogar 0,16 Sekunden im Schnitt länger Zeit, den Ball loszuwerden, was unzweifelhaft an Flaccos Spielweise liegt. Und auch wenn das nicht unbedingt repräsentativ ist, sei erwähnt, dass "PFF" diese beiden Teams in Sachen Pass Blocking direkt nebeneinander sieht auf den Rängen 29 (CIN) und 30 (CLE).
Flacco unter Druck keine Hilfe
Das heißt unterm Strich, dass Flacco auch in Cincinnati häufig unter Druck stehen wird. Und Flacco unter Druck war zuletzt keine Hilfe. Laut "Next Gen Stats" hat Flacco in dieser Saison nur 16 von 33 Pässen (48,5 Prozent) angebracht, wenn er Pressure sah. Er warf dann für gerade mal 150 Yards und drei Interceptions. Generell hat Flacco seit Jahren Probleme "under Pressure". In den vergangenen sieben Jahren war sein Passer Rating dann bei gerade mal 63,5 Prozent - insgesamt war sein Rating in der Zeit bei 85,6 (Karriere insgesamt: 83,8).
In diesem Jahr liegt er "under Pressure" bei nur noch 23,5, was ein hundsmiserabler Wert in irgendeiner Situation ist.
Er kassierte in diesem Jahr bereits neun Sacks und sammelte -70,3 Expected Points Added an (-0,41 EPA/Dropback) und die Pressure Rate gegen ihn liegt sogar über dem Wert der Browns insgesamt, nämlich bei 42,1 Prozent. Er ist eben nicht mehr sonderlich mobil und damit ein leichteres Ziel in der Pocket als der Rookie.
Was spricht also dafür, dass Flacco dennoch helfen könnte in Cincy? Auf den ersten Blick fällt auf, dass der Unterschied der beiden Receiving Corps dramatisch ist. Flacco machte zwar auch selbst genügend Fehler und hat sich laut "PFF" bereits sechs Plays (Browning: 9) geleistet, die zu einem Turnover hätten führen müssen (5 Big Time Throws), doch halfen seine Receiver auch mit, den Gesamteindruck zu drücken. Sie haben sich elf Drops in vier Spielen geleistet. Die Bengals-Receiver? Drei in fünf Spielen!

Flaccos Deep Ball als Chance
Zudem wird Flaccos Fähigkeit, den Ball tief zu werfen, helfen. Die Bengals haben gleich drei Receiver, deren durchschnittliche Target-Tiefe mehr als zehn Yards beträgt. Die Browns hatten davon nur zwei, wobei Jerry Jeudy (14,2) aber auch nur bedingt eine Hilfe war und das Team mit fünf Drops anführte - Chase und Higgins haben zusammen einen.
Flacco ist dann am besten, wenn er Downfield wirft und dabei auf die mittleren Distanzen geht. Seine Deep Balls blieben dagegen zuletzt wirkungslos, was aber auch an den Mitspielern gelegen haben könnte. Chase allein wiederum ist brandgefährlich mit Shots über die linke Seite. Das Passer Rating in seine Richtung liegt dann bei 127,1. Das dürfte also ein Ansatz sein, um diese Offense und diesen Quarterback schnell in Schwung zu bringen.
Die Erwartung ist grundsätzlich, dass Flacco schnell trainiert und bereits am Sonntag bei den Green Bay Packers zum Einsatz kommt. Ob das der richtige Gegner ist mit seiner starken Defense, darf zwar bezweifelt werden. Doch dürfte Flacco dem Team wohl zumindest auf dem Papier eine bessere Chance geben als Browning es könnte.
Und das ist letztlich die Messlatte: Die Bengals wollen diese Saison noch nicht vollends abschreiben und haben mit Flacco zumindest mal die Chance, offensiver ein wenig kompetenter und gefährlicher aufzutreten als noch mit Browning. Und alles, was sie dafür investieren mussten, war ein zukünftiger Fünftrundenpick und etwas weniger als eine Million Dollar an Gehalt.
Es mag kein massives Upgrade sein, doch schlechter geworden sind die Bengals damit nicht.




































