Das große Duell mit Remco Evenepoel war keines auf Augenhöhe: Weltmeister Tadej Pogacar wird nach einer erneuten Riesenshow erstmals Europameister.
Tadej Pogacar blickte ganz entspannt zurück, dann breitete der Weltmeister grinsend die Arme aus und radelte nach seinem nächsten Super-Solo auch als Europameister über die Ziellinie. Nur eine Woche nach dem WM-Coup in Ruanda schwebte der slowenische Superstar auch in der Ardèche über allen. Und wirkte nach seinem 75-km-Alleingang im härtesten EM-Rennen der Geschichte wie nach einer Spritztour mit der Familie.
"Jetzt bin ich froh, dass es geschafft ist - und ich einen weiteren Titel geholt habe. Ich habe bis zur Ziellinie alles gegeben", sagte Pogacar nach dem Triumph bei Eurosport: "Ich will jedes Jahr besser werden. Aber ich muss es auch genießen, so lange ich kann."
Im Duell mit seinem belgischen Rivalen Remco Evenopel, das wie schon sieben Tage zuvor in Kigali keines auf Augenhöhe war, triumphierte der 26-Jährige nach 202,5 km mit vielen giftigen Anstiegen ungefährdet in der kleinen Gemeinde Guilherand-Granges an der Rhone und schnappte sich erstmals das Sternenbanner-Trikot des kontinentalen Champions.
Pogacar wiederholt das Sagan-Kunststück
Und dieses hatte Pogacar, auch wenn er es letztlich mit dem Anschein aller Leichtigkeit gewann, mit aller Macht haben wollen: Die EM 2026 war am Mittwoch an seine slowenische Heimat vergeben worden - und dort darf der Volksheld nun im kommenden Jahr als Titelverteidiger antreten.
Nach dem 66-km-Solo zum Kigali-Gold fuhr Pogacar auch am Sonntag sein eigenes Rennen und triumphierte schließlich mit 31 Sekunden Vorsprung auf den künftigen Red-Bull-Profi Evenepoel - am Ende ließ es Pogacar ruhig angehen. Zum erst zweiten Mal gewann damit ein Radprofi den Weltmeister- und Europameister-Titel im Straßenrennen in der gleichen Saison. Zuvor war dies nur 2016 im EM-Premierenjahr Peter Sagan gelungen.
Bronze ging am Sonntag an Frankreichs Supertalent Paul Seixas (+3:41 Minuten). Der zweimalige Tour-Sieger Jonas Vingegaard war bei einem seiner seltenen Eintagesrennen chancenlos und wurde früh abgehängt.
Die deutschen Profis um Lennard Kämna spielten im Medaillenkamp ebenfalls keine Rolle. Am Samstag hatten im Frauen-Rennen Franziska Koch als Fünfte uns Antonia Niedermaier als Achte beim Sieg der Niederländerin Demi Vollering überzeugt.
Evenepoel kann Pogacar nicht folgen
"Es ist das größte Ziel meines Herbstes, noch vor der Weltmeisterschaft", hatte Evenepoel mit Blick auf das EM-Straßenrennen gesagt, schließlich war es der einzige der sechs großen Meistertitel, der ihm noch fehlte: Am Mittwoch war er souverän zum zweiten Mal Europameister im Zeitfahren geworden, WM- und Olympia-Gold hat er im Zeitfahren wie Straßenrennen geholt. Die Lücke wollte er schließen, er war weit davon entfernt
Frühzeitig übernahmen die Teams aus Belgien und Slowenien am Sonntag hinter einer Ausreißergruppe im Hauptfeld die Regie, um ihre Stars bestmöglich für die Entscheidung auf dem abschließenden Rundkurs zu positionieren. 110 km vor dem Ziel verschärfte die belgisch-slowenische Zweckgemeinschaft das Tempo - und hängte damit Vingegaard ab.
Rund 80 km vor dem Ziel rissen dann Pogacar und Evenepoel gemeinsam aus, das Rennen hatte das erwartete große Duell. Dieses dauerte allerdings nicht lange: Bei der 75-km-Marke zog Pogacar mühelos davon. "Ein langes Solo ist möglich", hatte er vorher gesagt: "Ich glaube aber nicht daran." Tat er dann doch.
Und konnte sogar noch Körner für das letzte große Rennen des Jahres sparen: Am Samstag kann und wird er wahrscheinlich auch mit seinem fünften Sieg bei der Lombardei-Rundfahrt den legendären Rekordgewinner Fausto Coppi einholen.




