Nach dem enttäuschenden Wochenende in Aserbaidschan sieht sich McLaren-Teamchef Andrea Stella mit der Frage konfrontiert, ob Lando Norris der große Verlierer des Rennens gewesen sei. Der Brite hatte im entscheidenden Moment im Qualifying einen folgenschweren Fehler eingebaut und kam auch im Rennen nicht über ein unscheinbares Resultat hinaus. Doch Stella verteidigt seinen Fahrer vehement - und legt den Finger auf die Probleme des Teams.
"Wenn man nur auf die Fahrer-WM schaut, dann war das natürlich eine verpasste Gelegenheit für Lando, Punkte gutzumachen", sagt Stella. "Aber wir haben ihm am Sonntag kein Auto gegeben, das in der Lage war, durchs Feld nach vorne zu fahren. In meinen Augen hat er eine saubere, fehlerfreie Leistung gezeigt - nur war die Pace schlicht nicht da."
Stella betont außerdem, dass man die Dinge im größeren Kontext sehen müsse. "Natürlich blicken wir auf Lando und Oscar, aber wir blicken auch auf Max Verstappen. Er ist ganz klar Teil des Titelkampfes. Unser Fokus muss darauf liegen, ihn bei den kommenden Rennen wieder stärker unter Druck setzen zu können."
Qualifying-Fehler kostete Ausgangslage
Die Daten zeigen, wie teuer sich Norris' Fehler im Qualifying auswirkte. In Q3 unterlief ihm in Kurve 15 ein grober Patzer, der laut Telemetrie über eine halbe Sekunde kostete. Schon zuvor hatte er kleinere Unsauberkeiten im ersten Sektor. Dabei hätten bereits seine Q1- oder Q2-Zeiten für Startplatz zwei hinter Verstappen gereicht - mit lediglich zwei Zehnteln Rückstand.
Während Max Verstappen und Carlos Sainz ihre schnellsten Runden in Q3 fuhren, hätte Norris ohne seinen Fehler ebenfalls noch einmal nachlegen können. Ein Startplatz in der zweiten Reihe - realistisch Platz drei - war absolut in Reichweite. Damit war die Ausgangslage im Rennen entscheidend verschlechtert. Denn in Baku zeigte sich erneut, wie wichtig die Startposition ist.
Starke Fahrleistung, schwache Umsetzung
Im Rennen selbst sieht Stella keinen Grund zur Kritik an Norris. "Kein anderer Fahrer hätte aus diesem Auto mehr herausgeholt. Er ist fehlerfrei geblieben, hat sich clever verhalten und das Maximum geliefert, was möglich war", betont er. "Wenn überhaupt, dann lag die Verantwortung beim Team. Mit einem schnelleren Boxenstopp hätten wir Lando vielleicht die Chance gegeben, Liam Lawson anzugreifen."
Die Analysen bestätigen diese Einschätzung: In Phasen freier Fahrt war Norris auf Augenhöhe mit Verstappen, teilweise nur ein bis zwei Zehntel langsamer. Insgesamt war McLaren in Baku wohl das zweitschnellste Auto im Feld. Mit einer besseren Startposition und strategisch klügerer Umsetzung wäre ein Podium absolut realistisch gewesen.
Unter Wert geschlagen - und Warnsignal für die WM?
So aber blieb nur Schadensbegrenzung, während Verstappens Dominanz größer aussah, als sie tatsächlich war. McLaren wurde in Aserbaidschan klar unter Wert geschlagen - weniger aufgrund von Fahrfehlern, sondern wegen ungenutztem Potenzial und fehlender Umsetzung.
Das wirft Fragen für den weiteren WM-Verlauf auf. Einerseits hat McLaren nach wie vor das Paket, um Verstappen und Red Bull zu schlagen. Andererseits darf man sich Fehler wie in Baku nicht mehr leisten, wenn man beide Titel sichern will. Für Stella ist deshalb klar: Nicht Norris war das Problem - sondern McLaren selbst.