Für Jamie Gittens' Wechsel zum FC Chelsea sackte Borussia Dortmund in diesem Sommer eine satte Millionen-Ablöse ein. Richtig angekommen ist das Ex-BVB-Talent vor dem Champions-League-Duell mit dem FC Bayern noch längst nicht bei seinem neuen Klub.
Als Borussia Dortmund Anfang Juli den Wechsel von Jamie Gittens zum FC Chelsea verkündete, benötigte man kein besonderes Gespür, um herauszuhören, dass die BVB-Bosse mit dem Ergebnis ihrer Arbeit durchaus zufrieden waren.
Nach insgesamt 107 Pflichtspielen im schwarz-gelben Dress, 17 Toren und einem Leistungsabfall in der Rückrunde der vergangenen Saison leierte man dem FC Chelsea rund 65 Millionen Euro (inkl. Boni) für die Dienste des 21-Jährigen aus den Rippen. Eine enorme Investition, die sich für den Flügelflitzer nicht gänzlich überraschend als (zu) schwerer Rucksack zu erweisen scheint.
"Jamie Gittens' Karriere steht beispielhaft für die Entwicklung von Toptalenten beim BVB. Wir haben Jamie sehr früh entdeckt, ihn quasi zum Nulltarif verpflichtet, kontinuierlich in unserem Nachwuchsleistungszentrum entwickelt und ihm auch auf allerhöchstem Niveau bei den Profis Spielzeit geboten. Jamie hat das in ihn gesetzte Vertrauen mit Engagement, Leistung und Toren zurückgezahlt", lautete der offizielle Kommentar von BVB-Geschäftsführer Lars Ricken zum Transfer von Gittens zum FC Chelsea. Die Gespräche, so betonte Ricken ausdrücklich, seien "herausfordernd" gewesen, der Deal für die Borussen letztendlich jedoch "ausgesprochen werthaltig".
Zum Youngster selbst teilte Ricken mit, Gittens wolle "nun bei Chelsea den nächsten Schritt in seiner Karriere gehen", man wünsche ihm "alles erdenklich Gute und viel Erfolg".
Insgesamt nette Worte, die rund zweieinhalb Monate später noch einmal einen leicht anderen Anstrich bekommen. Denn den "nächsten Schritt" hat Gittens bislang zumindest nicht mal so eben aus dem Fuß geschüttelt, die vom BVB eingestrichene Mega-Ablöse wirkt inzwischen noch einmal etwas "werthaltiger".
Schlussspurt beim BVB deutete Abwärtstrend an
Dass Ricken diese Entwicklung geahnt hat, lässt sich dem ehemaligen Offensivstar der Dortmunder natürlich nicht in den Mund legen. Dass Gittens' phönixhafter Aufstieg etwas von seinem Zauber eingebüßt hat, deuteten allerdings schon die letzten Monate des Engländers beim BVB an.
Zum Auftakt der Saison 2024/25 jokerte Gittens den BVB scheinbar leichtfüßig und vor Spielfreude trotzend mit einem Doppelpack zu einem 2:0-Auftaktsieg. Anschließend rückte das Talent in einer kriselnden Mannschaft immer mehr in den Fokus, erzielte unter anderem wichtige Tore beim 1:1 gegen den FC Bayern und dem 1:1 gegen Borussia Mönchengladbach - und avancierte schlagartig zum Hoffnungsträger der BVB-Fans, die ihr Team im Bundesliga-Mittelmaß versinken sahen.
Plötzlich war Gittens nicht mehr nur das aufstrebende Eigengewächs, sondern der Spieler, der den BVB am schwarzgelben Haarschopf aus dem Sumpf ziehen, den Anhängern wieder euphorische Jubel-Gesänge entlocken sollte - Druck, dem Gittens nicht wirklich gerecht wurde. Die Leichtigkeit verflog, geniale Momente wurden zur Mangelware.
Ein Trend, den wohl auch Coach Niko Kovac erkannte, der das Zepter an der Seitenlinie der Borussen im Februar übernahm. Der Kroate nahm Gittens deutlich aus dem Rampenlicht, 19 Mal stand der Außenstürmer unter Kovac zwar noch auf dem Rasen, sammelte dabei im Schnitt aber nur noch rund 37 Minuten pro Einsatz und erzielte nur noch ein Tor (keine Vorlage). Ein Schlussspurt, nach dem es für den BVB wohl eigentlich ein No-Brainer gewesen sein dürfte, Chelseas sattes Angebot anzunehmen.
BVB-Schnitt unter Kovac in London nicht gesteigert
Zwar dürfte Gittens' Talent unbestritten sein, es wird aktuell aber auch beim FC Chelsea noch vom berüchtigten Londoner Nebel verhüllt. An den ersten vier Spieltagen der Premier League bekam Gittens jeweils seine Chance, bestritt allerdings nie mehr als 56 Minuten. Zudem kamen die Blues bei beiden Startelfeinsätzen des englischen U21-Nationalspielers nicht über ernüchternde Remis hinaus. Im Schnitt stehen übrigens weiterhin circa 37 Minuten, eine Torbeteiligung gelang noch nicht.
Kein Wunder, dass kritische Stimmen längst an der Tagesordnung sind: In den Sozialen Medien haben die Fans den Ex-Dortmunder bereits als 65-Millionen-Euro-Fehlgriff abgestempelt, in den Medien kursieren zumindest bereits einige Artikel, die die Sinnhaftigkeit des Deals hinterfragen.
Zumal einige Begleitumstände, die Gittens gar nicht beeinflussen kann und konnte, den Druck weiter erhöhen. Zum einen hat sich mit Noni Madueke beim FC Arsenal ausgerechnet der Spieler in den Vordergrund gespielt, den Chelsea vom Hof jagte, um auf den Flügeln Platz für Gittens zu machen.
Zum anderen haben die investitionsfreudigen Londoner im Sommer neben Gittens auch noch den jungen Brasilianer Estevao und Alejandro Garnacho von Manchester United für die offensiven Außenbahnen verpflichtet. Mit Tyrique George spielt sich obendrein ein Eigengewächs immer mehr in den Vordergrund.
Man darf daher mehr als gespannt sein, ob Trainer Enzo Maresca Gittens eine weitere Chance gibt, wenn für Chelsea am Mittwochabend beim FC Bayern (ab 21 Uhr im sport.de-LIVE-Ticker) der hammerharte Start in die Liga-Phase der Champions League auf dem Programm steht.