Dennis Schröder tut sich im Finale der Basketball-EM schwer, dreht dann aber im entscheidenden Moment auf. Der Führungsspieler der deutschen Nationalmannschaft liefert Momente für die Ewigkeit und bringt sich somit in Stellung für die Hall of Fame.
Nein, das Finale hatte sich Dennis Schröder zunächst anders vorgestellt.
Die Türken haben den agilen Aufbauspieler gut im Griff. Schröder, sonst immer für einen Wurf oder harten Zug zum Korb gut, kommt zu Beginn kaum zu Abschlüssen. Dann fällt er nach einer Aktion auch noch auf den linken Ellbogen, hat sichtlich Schmerzen.
Es ist nicht sein Spiel. Noch nicht.
Die HIGHLIGHTS des Final-Krimis
Die erste Halbzeit ist für Schröder eine zum Vergessen. Dank Franz Wagner und Isaac Bonga aber bleibt die deutsche Mannschaft im Spiel. Schröder beschränkt sich zunächst aufs Assistieren.
Und im Schatten der Kollegen lädt Schröder seinen Akku wieder auf, bringt sich auf Betriebstemperatur. Interessant ist im Leistungssport, wie Spieler zurückschlagen, wenn es nicht läuft. Hier zeigt sich oft die wahre Größe.
So auch an diesem Abend in Riga.
Basketball-EM: Dennis Schröder liefert MVP-Leistung
Und in den letzten drei Minuten Partie beweist Schröder, warum er der Kapitän und MVP des Turniers ist. Für diese Momente wurde der Begriff "Crunch Time" erfunden. Die Zeit am Ende einer Partie, wenn es eben zählt. Es war "Schröder Time".
Der Point Guard übernimmt Verantwortung, erzielt die entscheidenden letzten sechs Punkte zum Titel. Erst einen Korblegern, dann zieht er nach einem Offensivrebound von Bonga per Crossover Richtung Freiwurflinie und versenkt einen schwierigen Wurf zur deutschen Drei-Punkte-Führung. Anschließend macht er per Freiwürfe die Entscheidung klar. Schröder ist in diesen Minuten wieder der eiskalte Killer auf dem Feld.
"Wir haben keine Angst vor großen Momenten. Ich hatte kein gutes Spiel, Dennis keine gute erste Halbzeit“, sagte Teamkollege Daniel Theis am RTL-Mikro. Beide haben schon in der Jugend zusammengespielt, sind gut befreundet.
"Am Ende hat Dennis übernommen, hat die drei Würfe getroffen, uns zu Gold getragen. Deswegen ist er MVP und Kapitän", jubelt Theis.
Schröder lobte vor allem seine Teamkameraden, die ihm das Selbstbewusstsein eingeimpft hätten und aufgefordert hätten, einfach weiter zu werfen. "Alle haben ihren Job gemacht", so Schröder bei RTL:"Für diese Momente lebt man. Dafür ackere ich jeden Tag. Ich habe in der ersten Halbzeit kein gutes Spiel gemacht, aber all meine Teammates haben gekämpft. Am Ende, als es spannend wurde, habe ich den Ball genommen und draufgeballert. Es hat funktioniert. Die ersten zwei, drei Viertel waren nicht optimal, aber ich habe es im vierten Viertel gut gemacht. Und alle anderen auch."
Als es drauf ankam, lieferte er ab. Wieder – muss man sagen. Es ist ein deutsches Comeback für die Ewigkeit.
Europameister und Weltmeister, "das ist legacy (Anmerk d. Red.: unser Vermächtnis). Das wird uns nie wieder genommen. Wir sind das beste Team, in dem ich je gespielt habe", sagte Schröder.
Eigentlich musste Schröder spätestens nach dem WM-Titel 2023 seinen Kritikern nichts mehr beweisen.
In Manila führte er als Kapitän das deutsche Team mehr als sensationell zum ersten WM-Titel. Auch dort übernahm er in den letzten Minuten des Spiels gegen Serbien die Verantwortung und besiegelte mit einem sehenswerten Dribbling und Korbleger den Titel.
Trotzdem ist er vor Kritik nicht gefeit. Auch in diesem Turnier. Dafür sorgten auch schwächere Auftritte gegen Portugal und Slowenien im Achtel- und Viertelfinale.
Vor dem Turnier sprach Schröder über die Anerkennung, die ihm in Deutschland nicht immer entgegenbrachte werde. Er werde nie die gleiche Liebe wie Dirk Nowitzki erhalten, sagte er im "Stern" und begründete dies auch mit seiner Hautfarbe.
Nowitzki ist und bleibt die große Lichtgestalt des deutschen Basketballs. Vergleiche der beiden sind müßig. Andere Generation, andere Größe, andere Spielstil andere Position, anderer Schlag von Mensch. Beide sind Leader auf ihre Weise und großartige Basketballer. Beide haben extrem viel für den Basketball-Standort Deutschland geleistet.
Doch im Gegensatz zu Nowitzki hat Schröder nun schon den zweiten großen Titel mit dem DBB-Team geholt. Dazu kommt noch das EM-Bronze von 2022, auch bei Olympia 2024 hat nicht viel gefehlt für Olympisches Edelmetall.
Schröder auf der anderen Seite nicht mit Nowitzkis NBA-Karriere mithalten - einen Titel dort hat er bisher nicht errungen, Schröder ist ein routinierter Starter, aber bei weitem kein Superstar vom Schlage eines Nowitzki. Ein NBA-Wandervogel und kein Franchise-Player wie Nowitziki, der seine Karriere nur in Dallas verbrachte und dort verehrt wird.
Hat Dennis Schröder eine Chance auf die Hall of Fame?
Und trotzdem: Durch die Erfolge mit dem Nationalteam könnte sich für Schröder in Zukunft sogar die Tür zur Naismith Hall of Fame, zur bekannten Ruhmeshalle des Sports öffnen. In dieser sind natürlich die ganz großen Legenden des Sports aufgenommen worden. Michael Jordan, Larry Bird, "Magic" Johnson – und wie sie alle heißen. Auch Nowitzki ist mittlerweile ein Teil der legendären Hall of Fame, die in den USA ihren Sitz hat. Spieler können erst drei Jahre nach ihrem aktiven Karriereende den Sprung in die Ruhmeshalle schaffen.
Ein Komitee berät und entscheidet jährlich über die Vorschläge, eine hohe Zustimmung von 18 der 24 Mitglieder ist vonnöten.
Was manche nicht wissen: Dort kann man nicht nur für die hervorragenden NBA-Leistungen aufgenommen werden. Es geht um die Karriereleistungen an sich. Auch internationale. Keine Frage, ginge es nur um NBA-Stats wäre Schröder völlig fehl am Platz. Seine Statistiken: In gut der Hälfte der 842 Spiele ging er als Starter aufs Feld. Er erzielte 13,9 Punkte und 4,9 Assists. Sehr ordentlich, aber keine Hall-of-Fame-Zahlen.
Ganz anders aber ist der Blick, wenn man die Nationalmannschaft hineinnimmt.
Bei der WM und EM wurde Schröder zum MVP gewählt. Bei der WM 23 lieferte er 19,1 Punkte und 6,1 Assists pro Partie ab.
Mehr dazu:
Zwei Jahre später in Tampere und Riga sind es 20,1 Punkte pro Partie und 5,9 Assists.
Sein Einfluss auf das Team ist so riesig, man kann ihn gar nicht überbewerten. Er ist der unumstrittene Leader des Teams, trotz Co-Star Franz Wagner. In der Crunch Time blüht er auf, versteckt sich nicht.
Er hat den Basketball nach dem Rücktritt von Nowitzki wieder groß gemacht und die goldene Ära eingeläutet, die nun mit der historischen WM- und EM-Goldmedaille ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht hat.
Die FIBA Hall of Fame (weniger bekannt und ruhmvoll wie die Naismith Hall of Fame) dürfte ihm schon sicher sein. Eine Aufnahme in die Hall of Fame wird sogar in den USA schon unter Experten diskutiert. Sie wäre eher ungewöhnlich. Nach den jüngsten Leistungen ist sie mindestens vertretbar. Ob dies das Komitee auch so sieht, wird sich noch zeigen.
Noch ist die Reise von Schröder lange nicht vorbei. 2027 steht die nächste WM an. Schröder wird dann gerade 34 Jahre alt.







