Die 21:27-Niederlage der Kansas City Chiefs gegen die Los Angeles Chargers in Woche 1 der neuen NFL-Saison in São Paulo kam durchaus überraschend. Doch offenbarte oder bestätigte sie auch ein paar Problemfelder des Teams, die mitunter Grund zur Sorge geben.
Das Spiel in Brasilien war die erste Niederlage der Chiefs nach sieben Siegen in Serie gegen die Chargers. Ein Gegner, der mit einem allüberragenden Quarterback Justin Herbert angetreten war, der keine Gefangenen machte. Zudem profitierten die Bolts davon, dass Offensive Coordinator Greg Roman deutlich mehr als sonst aufs Passspiel setzte, vor allem ganz am Ende, als es darum ging, den Sieg nach Hause zu bringen.
Doch losgelöst vom Gegner zeigten sich bei den Chiefs durchaus ein paar Defizite, die sich womöglich wie ein roter Faden durch die Saison ziehen könnten. Und das gilt sowohl für die Defense als auch die Offense.
Chiefs: Das Receiving Corps ist dünn besetzt
Keine neue Erkenntnis, doch die Schulterverletzung von Xavier Worthy macht eine prekäre Situation noch ein wenig komplizierter. Die Chiefs gingen ohnehin schon ohne den für sechs Spiele gesperrten Rashee Rice in die Saison. Nun werden sie voraussichtlich eine gewisse Zeit ohne Worthy auskommen müssen. Zwar hat sich noch keiner in KC konkret zur ausgekugelten Schulter von Worthy nach dessen Crash mit Travis Kelce geäußert, doch Adam Schefter von "ESPN" berichtete am Montag von einer Ausfallzeit von ein paar Wochen.
Das bedeutet dann, dass neben Hollywood Brown auch JuJu Smith-Schuster und Tyquan Thornton größere Rollen einnehmen müssen in den kommenden Spielen. Gerade Brown wusste gegen die Chargers durchaus zu überzeugen und fing zehn Pässe (14 TGTS) für 99 Yards. Er hatte allerdings auch einen schlimmen Drop dabei, den man wohl aus seinem Spiel auch nicht mehr herausbekommen wird.
Thornton hatte diese eine lange Reception und Smith-Schuster war 5/5 im Spiel mit einem First Down. Zudem erzielte Travis Kelce (2/3) einen langen Touchdown-Catch, bei dem er erstklassig frei geschemed wurde. Und das wiederum scheint mittlerweile auch der einzige Weg zu sein, ihn zum Faktor zu machen.
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Chiefs: Mahomes nur auf dem Boden stark
Patrick Mahomes beendete dieses Spiel mit 258 Yards (24/39) durch die Luft und einem Touchdown-Pass. Doch während das auf den ersten Blick gar nicht so schlecht klingt, war es in Wahrheit keine sonderlich gute Vorstellung. Er generierte lediglich +0,18 EPA/Dropback, was zwar besser war als seine Jahres-Durchschnittsleistungen der vergangenen zwei Jahre, aber eben schlechter als alles, was er vor 2023 fabrizierte.
Mahomes lieferte in Brasilien eine Completion Percentage over Expected von -7,9 Prozent, was so viel heißt wie: seine Pässe waren so unpräzise, dass seine Completion Percentage am Ende um fast 8 Prozent schlechter ausfiel als statistisch zu erwarten war. Das wiederum lag nicht nur an seinen Receivern, die laut "PFF" nur zwei präzise Pässe im Spiel haben fallen gelassen. Ursächlich für Mahomes' Ungenauigkeit war daher wohl eher die Tatsache, dass er mal wieder häufig unter Druck stand.
Aber eben auch nicht so häufig. Laut "Next Gen Stats" lag seine Pressure Rate bei gerade mal 25,5 Prozent seiner Dropbacks. Er sah zwölf Pressures und kassierte zwei Sacks und wurde indes nur in 17 Prozent der Dropbacks geblitzt. Und das wiederum spricht nicht für seine Offensive Line, die ihn offenkundig dazu veranlasste, den Ball deutlich schneller loszuwerden, als er es sonst gewohnt ist. Nur 2,38 Sekunden benötigte Mahomes im Schnitt bis zum Pass. Das war die viertschnellste Zeit bis zum Wurf in seiner Karriere - seine Karriereschnitt liegt rund 0,5 Sekunden darüber!
Dass die Chiefs am Ende aber doch mitgehalten haben gegen fulminante Chargers, hatte dann mehr damit zu tun, dass jene es nicht für nötig hielten, einen Spy auf Mahomes abzustellen. Denn Mahomes richtete gerade mit seinen Beinen sehr viel Schaden an. Er lief sechsmal für 57 Yards und einen Touchdown - hinzu kamen fünf First Downs, was seinen Karrierebestwert einstellte. Mahomes hatte vier explosive Runs (10+ Yards) nach Scrambles - Karrierebestwert. Er generierte damit sagenhafte 1,21 EPA/Run und hielt sein Team damit im Spiel.
Das heißt jedoch auch, dass ein Team, das ihn in der Pocket halten kann in dieser Phase der Saison, den Chiefs große Probleme bereiten wird. Am kommenden Sonntag kommt ein solches mit den Philadelphia Eagles (ab 22:25 Uhr live bei RTL), das genau dies erst im Februar eindrucksvoll bewiesen hat ...
Chiefs: Die Offensive Line wackelt weiter
Mahomes' Leistung lässt sich zwar nicht nur mit der Vorstellung der O-Line erklären, doch jene bewies einmal mehr, dass sie ein größeres Thema bleiben dürfte.
In Sachen Pass Blocking unter den fünf Startern lediglich Center Creed Humphrey, der keinen Pressure abgegeben hat. Rookie-Left-Tackle Josh Simmons ließ vier Pressures zu, sein Nebenmann, Left Guard Kingsley Suamataia, hatte laut "PFF" drei und Right Tackle Jawaan Taylor kam auf zwei. Right Guard Trey Smith gab einen Pressure ab, hatte jedoch auch mit 85,4 das mit Abstand beste Pass Block Grade des Teams.
In Sachen Run Blocking war die gesamte Unit nicht sonderlich gut. Zwar liefen die Chiefs als Team für starke 5,8 Yards, doch wenn wir Mahomes' Scrambles abziehen, stehen da noch 3,7 Yards pro Carry und kein Touchdown.
Erschwerend hinzu kam natürlich die Disziplinlosigkeit des ganzen Teams im Chargers-Spiel. Die Chiefs kassierten zehn Penalties für 71 Yards. Sechs der zehn Strafen gingen auf die O-Liner und vier kassierte Taylor alleine! Die Schiedsrichter haben offenbar begonnen, seine konstanten False Starts und Holds tatsächlich mal - halbwegs - konsequent zu ahnden. Am Freitag waren es je zwei Strafen für False Start und Holding. Immer noch nicht genug, wenn man ehrlich ist, doch wenn das so weitergeht, wird diese Offense in Schwierigkeiten sein, denn Taylor ist bekannt dafür, permanent zu früh zu springen oder schon aus Prinzip zu weit hinten positioniert zu sein, wenn der Snap erfolgt.
Rookie Simmons leistete sich zudem zwei False Starts seinerseits und zahlte generell Lehrgeld, was aber nicht überraschend ist für einen Neuling. Noch dazu einen, der fast ein Jahr nicht gespielt hat nach einem Riss der Patellasehne.
Chiefs: Defense bereitet Sorgen
Während die Probleme der Offense nicht unbedingt ohne Ankündigung kamen, war die Defense von Defensive Coordinator Steve Spagnuolo in den vergangenen Jahren eigentlich immer zuverlässig, besonders dann, wenn es zählte. In Brasilien war das nicht mehr unbedingt der Fall und die Chiefs erweckten den Eindruck, dass sie nach der monumentalen Klatsche im Super Bowl (22:40) ein wenig nach ihrer Identität suchten.
Im vergangenen Jahr und überhaupt seit "Spags" 2019 übernommen hat, war die grundlegende Identität dieser Unit klar: Sie sind eine Defense, die sehr viel Wert auf Man Coverage legt und heftig blitzt. So verlor man indes auch den Super Bowl, weil man gewissermaßen ins offene Messer lief gegen die Man-Beater von Philly.
Gegen die Chargers überraschten die Chiefs dann vor der Pause mit einem Gameplan, der so gar nicht zu erwarten war: Laut "Next Gen Stats" spielten die Chiefs in 85,7 Prozent von Herberts Dropbacks Zone. Das war ihre höchste Zone-Cover-Rate in einer ersten Hälfte seit 2019.
Sie stellten nach der Pause jedoch um und spielten nur noch in 35 Prozent der Dropbacks Zone. Und wenn sie dann Man spielten, dann blitzten sie in mehr als zwei Drittel der Snaps. Und das wiederum war auch nötig, denn ohne Blitz taten sie sich schwer, wirklich für Pressure gegen Herbert zu sorgen.
Herbert sah eine Blitz Rate von 39 Prozent und unterm Strich eine Pressure Rate von 36,6 Prozent. Die Chiefs schafften im Spiel drei Sacks gegen Herbert, zwei davon kamen durch Linebacker Drue Tranquill via Blitz. Zudem gelang Edge Rusher George Karlaftis ein Sack (5 Pressures) im ersten Viertel, bei dem nicht geblitzt wurde. Fairerweise muss man aber erwähnen, dass Herbert dabei versuchte, in der Red Zone Richtung Endzone zu scrambeln. Sprich: War das noch ein Sack oder einfach ein Tackle?!
In jedem Fall aber lässt sich konstatieren, dass diese Defense nicht sonderlich gut gerüstet ist, um von ihrem primären Weg abzuweichen (Man), während sie weiterhin Blitzes benötigen, um tatsächlich für Druck auf den Quarterback zu sorgen.
Es war nur ein Spiel und sicherlich sind einige der genannten Defizite abzustellen in den kommenden Wochen, doch sind dies alles Anzeichen dafür, dass es in diesem Jahr nicht mehr ganz so einfach wird, wie es zuletzt schien, für die Chiefs einmal mehr den Super Bowl zu erreichen.






































