Vom dominantesten Meister der letzten Jahre zum Krisenklub: Der Hype um Bayer Leverkusen ist endgültig vorbei, das Blitz-Aus von Trainer Erik ten Hag steht sinnbildlich für die Probleme des Werksvereins. Wie viel Schuld an der aktuellen Misere trug der Niederländer tatsächlich?
Am Montag machte ein kurioses Meme im Netz die Runde. Zu sehen sind darauf gleich drei Ex-Trainer von Manchester United, die zuletzt allesamt binnen weniger Tage von ihren Arbeitgebern freigestellt wurden: Am 28. August musste Ole Gunnar Solskjaer seine Koffer bei Besiktas packen, einen Tag später war ebenfalls in Istanbul für José Mourinho Endstation, Fenerbahce trennte sich nach dem neuerlichen Aus in der Champions-League-Qualifikation von dem exzentrischen Portugiesen.
Der dritte Coach mit Red-Devils-Vergangenheit, dessen Amtszeit ein jähes Ende fand, war Erik ten Hag. Exakt zwei Bundesliga-Partien reichten den Bossen von Bayer Leverkusen, um den 55-Jährigen vor die Tür zu setzen.
Ein historischer Vorgang in Deutschlands höchster Spielklasse: So schnell entließ bislang kein anderer Klub einen Übungsleiter, der erst im Sommer verpflichtet worden war. Ten Hag löste Helmut Senekowitsch (Eintracht Frankfurt) und Heinz Elzner (1. FC Nürnberg) ab, die jeweils fünf Begegnungen im Amt waren.
Wie konnte sich die Situation um den erfahrenen Fußballlehrer, der als Nachfolger von Meisterheld Xabi Alonso ins Rheinland gekommen war, derart rasant zuspitzen?
Bayer Leverkusen gesteht "Fehlentscheidung" ein
"Es war keine Kurzschlussreaktion", rechtfertigte Bayers Sportchef Simon Rolfes den Entschluss: "Wir hatten das Gefühl, dass es nicht in die richtige Richtung geht. Bevor wir am falschen Ziel rauskommen, haben wir uns für einen frühen Zeitpunkt entschlossen. Wenn man Sachen erkennt, muss man handeln. Das haben wir getan."
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Zuvor war die komplett umgebaute Mannschaft durch die ersten Pflichtspiele getaumelt. Nach einem allenfalls mäßigen Auftritt im DFB-Pokal beim Regionalligisten SG Sonnenhof Großaspach (4:0) folgte die Auftaktniederlage in der Liga gegen die TSG Hoffenheim (1:2). Bisheriger Tiefpunkt war dann der Einbruch im Auswärtsspiel bei Werder Bremen (3:3), als Leverkusen in Überzahl einen Zwei-Tore-Vorsprung verspielte.
So gestand sich die Bayer-Chefetage durch das Aus von ten Hag nur 505 Tage nach dem Gewinn der ersten Meisterschaft einen folgenschweren Irrtum ein. "Wenn man Verantwortung trägt, trifft man auch Fehlentscheidungen", gab Rolfes zu bedenken: "Ein noch größerer Fehler wäre es aber, es weiterlaufen zu lassen."
Schwache Kommunikation und Arroganz-Vorwurf
Doch was führte schlussendlich zu ten Hags Aus im Eiltempo? Übereinstimmenden Medienberichten zufolge passte es neben den ausbleibenden Erfolgen wohl auch menschlich nicht zwischen ihm und dem Werksklub.
Der wiederholte öffentliche Ruf nach weiteren Neuzugängen, seine Kommunikation mit der Mannschaft und allen voran auch die Spielvorbereitung und die Ansprachen sollen innerhalb des Vereins gar nicht gut angekommen sein, der "kicker" unterstellte ihm gar "Arroganz".
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Wie konfus das Team jüngst in Überzahl gegen dezimierte und verletzungsgeplagte Bremer agierte und den Sieg ohnmächtig herschenkte, bestärkte die ohnehin wachsenden Zweifel im Umfeld nochmal. Die Kabine hatte er da angeblich längst verloren.
XXL-Umbruch als Hypothek
Zur Wahrheit gehört freilich, dass die Verpflichtung ten Hags von Anfang an unter keinem guten Stern stand. Der Niederländer war nicht die Wunschlösung, Bayer wollte Cesc Fàbregas, doch der sagte ab. Hinzu kam der XXL-Umbruch mit Abgängen von Säulen wie Florian Wirtz, Jonathan Tah, Granit Xhaka, Jeremie Frimpong, Lukas Hradecky und Piero Hincapié.
Ten Hag musste binnen kürzester Zeit die Abgänge kompensieren und mit etlichen Neuzugängen, von denen kaum einer über Bundesliga-Erfahrung verfügte, eine Einheit formen. In dieser schwierigen Phase kam es rasch zu Unstimmigkeiten mit den Vorgesetzten und den Profis.

Ins Bild passte daher auch die Reaktion des geschassten Linienchefs auf seine Demission. Diese sei für ihn "völlig überraschend" gekommen, stellte ten Hag in einem Statement klar - und schoss scharf zurück. Er sprach von einem "beispiellosen" Vorgang. Er habe das Gefühl, "dass dies nie eine Beziehung war, die auf gegenseitigem Vertrauen beruhte".
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Patrick Helmes, Ex-Torjäger der Werkself, erkennt im exklusiven Gespräch mit RTL/ntv und sport.de Versäumnisse auf beiden Seiten. "Du brauchst als Trainer eine gewisse Anpassungsfähigkeit. Wenn diese Eigenschaft nicht gegeben ist, ist die schnelle Trennung folgerichtig", analysierte der frühere Nationalspieler. Zugleich habe ten Hag angesichts des Mega-Umbruchs auch eine gewaltige Hypothek bewältigen müssen.
Nun läuft die Nachfolgersuche bei Bayer - und die Zeit drängt: Nach der Länderspielpause trifft Leverkusen am 12. September auf das perfekt gestartete Eintracht Frankfurt.
































