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"Es wird irgendwann krachen"

Exklusiv: Danner erwartet Formel-1-Knall

Enges Rennen um den Formel-1-Titel zwischen den McLaren-Piloten
Enges Rennen um den Formel-1-Titel zwischen den McLaren-Piloten
Foto: © IMAGO
29. August 2025, 07:21

Zum Restart der Formel 1 mit dem Niederlande-GP (Samstag und Sonntag LIVE bei RTL) spricht RTL-Experte Christian Danner bei sport.de über den beinharten WM-Kampf der McLaren-Piloten. Außerdem sagt er, warum man Max Verstappen nie abschreiben sollte, was aus Lewis Hamiltons Ferrari-Projekt wird, und wen er sich als zweiten Fahrer bei Red Bull wünscht.

Lieber Christian, als langjähriger RTL-Kommentator bist du ein Formulierungskünstler. Definiere doch bitte einmal den Begriff Momentum.

Christian Danner: Momentum kommt aus der Physik und definiert, wenn man in irgendeiner Weise ein Kraftmoment, eine Kraft initiiert. Dann hat man – gemäß meines Freundes Isaac Newton und dem Gesetzt der Trägheit der Masse – einen gewissen Vorteil: Wenn etwas erstmal in Bewegung ist, bleibt es auch in Bewegung. Das ist das Momentum, über das man immer spricht und das im übertragenen Sinne eine Welle des Erfolges sein kann, die einen erst einmal, wenn initiiert, eine Weile trägt.

Du weißt, worauf wir anspielen: Lando Norris hat vor der Sommerpause mit starken Leistungen im WM-Kampf gegen seinen McLaren-Rivalen Oscar Piastri zurückgeschlagen, liegt vor dem Grand Prix der Niederlande nur neun Punkte zurück. Hat er das Momentum auf seiner Seite, hat sich das Kräfteverhältnis im McLaren-Duell verschoben?

Nein, ich glaube nicht. Lando Norris hatte schlicht etwas mehr Glück als Oscar Piastri, das war alles. Da hat sich gar nichts verschoben. Dass Norris ein absoluter Spitzenfahrer ist, den man nicht nebenbei schlägt, ist klar. Aber Piastri ist dazu in der Lage und ich sehe ihn nach wie vor als Titel-Aspirant Nummer 1. Das wird eine ganz enge Nummer. Gut fahren, abgebrüht sein, Technik – alles klar. Ein bisschen Glück gehört am Ende aber auch dazu, darauf wird es wohl ankommen.

Du hast in der Formel 1 viele "Stallkriege" erlebt: Mansell gegen Piquet, Prost gegen Senna, später Hamilton gegen Rosberg. Piastri und Norris sind bisher noch brav – wann wird es krachen?

Das ist schon lange nicht mehr brav. Es wird selbstverständlich irgendwann krachen. Wenn McLaren sein Momentum aufrechterhält und ihr Auto weiterhin so gut ist, wovon ich ausgehe, werden die beiden die WM unter sich ausmachen. Es sei denn, Red Bull kommt wieder in die Strümpfe, dann ist mit Max Verstappen immer zu rechnen. Ich gehe aber davon aus, dass es so weitergeht wie bisher und die McLaren-Piloten weiterhin auf Augenhöhe fahren. Gegen Ende der Saison wird das immer härter, denn McLaren hat von Anfang an gesagt, nicht in das Duell einzugreifen. Das können sie aber nur machen, wenn kein Dritter wie Verstappen im Spiel ist, der ihnen die Suppe versalzen könnte. Wenn Piastri und Norris die WM unter sich ausmachen, wird das eine Prost/Senna oder Hamilton/Rosberg-Nummer. Der WM-Kampf wird kulminieren bis zum sportlichen oder unsportlichen Ende.

Max Verstappen abschreiben? "Schaffe ich irgendwie nicht"

Piastri und Norris sind unterschiedliche Typen. Was ist an diesem Duell so faszinierend?

Sie sind ganz unterschiedliche Charaktere. Faszinierend ist, dass es für einen Spitzensportler keine Schablone gibt. Jeder muss auf seine Art versuchen, das Maximum zu erreichen. Und da operiert ein Norris eben ganz anders als ein Piastri. Aber beide sind auf Augenhöhe – das ist faszinierend, da zuschauen zu dürfen, weil es zeigt: Es gibt keine Vorschriften, wie man als Formel-1-Fahrer sein muss. Jeder muss sein wie er ist und das Beste aus sich selbst herausholen. Dass das bei beiden unterschiedlich funktioniert, finde ich äußerst spannend.

Viele Experten halten Norris' Offenheit, der er auch über mentale Schwierigkeiten spricht, für einen Fehler und sagen, man sollte da zumachen und keine Schwäche preisgeben. Wie siehst du das?

Ich fordere: Man sollte akzeptieren, dass der eine so ist und der andere so. Und wie man als Athlet seine beste Leistung erreicht, ist ausschließlich den Athleten überlassen. Jeder muss selbst wissen: Wie ticke ich, was brauche ich, wie kriege ich das, was ich brauche, um erfolgreich zu sein. Man denke an so zwei unterschiedliche Charaktere wie Niki Lauda – komplett kopfgesteuert und diszipliniert – und James Hunt – komplett bauchgesteuert und undiszipliniert.

Was war? Die zwei haben die WM 1976 unter sich ausgemacht, ein wahnsinnig enger Kampf. Zwei völlig unterschiedliche Typen mit unterschiedlichem Lifestyle. Man hätte einen James Hunt aber nie zu einem Niki Lauda machen können oder umgekehrt. Beide wussten, was für sie richtig war. Und ein Lando Norris weiß auch, was für ihn taugt. Wenn er sich selbst gerne infrage stellt, soll er das machen, das ist egal, das ist sein Ding. Piastri ist halt etwas wortkarger und nüchterner – das ist sein Ding und das muss man akzeptieren.

Sein Ding macht auch Max Verstappen. Dank seiner Klasse ist er immer mal für einen Sieg gut, obwohl der Red Bull schwach ist. Kommt da dieses Jahr noch was oder ist die WM weg und Red Bull hat schon den vollen Fokus auf 2026?

Es fällt mir schwer, Max Verstappen abzuschreiben, das schaffe ich irgendwie nicht. Weil Verstappen nicht der Typ ist, den man abschreiben kann. Mit ihm ist irgendwie immer zu rechnen. Allerdings ist die Technik bei Red Bull offensichtlich nicht vorhersehbar. Oft sind sie total abgestürzt, dann waren sie voll da und glaubten, sie hätten die Lösung gefunden, bevor sie am nächsten Wochenende wieder unterirdisch waren. Aber Verstappen schreibe ich wirklich nur ungern ab, weil er ein Typ ist wie ein Terrier: Wenn er sich mal richtig verbissen hat, bleibt er dran.

Lewis Hamilton hat Italien "im Leben nicht" verstanden

Wenig terrierhaft wirkte vor der Sommerpause Lewis Hamilton, sondern eher melancholisch, melodramatisch. Was steckt dahinter? Ist es am Ende vielleicht nur Show?

Diese Theatralik in seinen Auftritten bekommt ja auch unser Kollege Kai Ebel zu spüren. Mal bekommt er eine Ein-Wort-Antwort von Lewis, mal einen Wortfluss ohne Ende. Hamilton stellt das schon sehr theatralisch dar. Ich persönlich kann mir aber nicht vorstellen, dass das nicht bewusst gemacht ist und er ein Gefangener seiner Gefühle ist und all das nur ein Ausbruch seiner Emotionen. Das nehme ich ihm nicht ab, dafür ist er viel zu hart gesotten und abgebrüht durch seine Jahre in der Formel 1. Er wird wissen, wie er sich zeigt. Die reine Faktenlage ist klar: Das, was ich in unserer Saisonvorschau gesagt habe, dass er gegen Leclerc keinen Stich macht, ist eingetreten. Ich glaube, da wird sich auch nichts dran ändern. Ich glaube, von Lewis ist bis zum Ende des Jahres nicht viel zu erwarten, außer dem, was er bisher gezeigt hat, was ganz okay war, aber eben nicht rekordweltmeisterhaft.

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Hat Hamilton die Saison längst abgehakt und arbeitet mit Ferrari nur an 2026? Die Theatralik also ein Ablenkungsmanöver?

Glaube ich nicht, dann ist er ja doch wieder mit den gleichen Technikern zusammen, mit denen er jetzt seine liebe Not hat. Michael Schumacher wurde in der Presse ja auch immer als der hingestellt, der Ferrari auf den richtigen Weg gebracht hat. Wer Ferrari auf den richtigen Weg gebracht hat, waren Jean Todt als Teamchef, Ross Brawn als Technik-Hirn, Rory Byrne als Designer. Und die Crew auf Vordermann gebracht hat Nigel Stepney als Chefmechaniker.

Michael hat das perfekt umgesetzt. Man sieht aber an den Beispielen Fernando Alonso und Sebastian Vettel, wie schwer es bei Ferrari ist. Dass Hamilton glaubt oder geglaubt hat, dass er Ferrari zum Durchbruch verhilft, ist klar. So geht es aber nicht. Wie es geht, haben Schumacher, Todt, Brawn und Co. damals im Verbund gezeigt. Da war der Fahrer auch ganz wichtig, aber eben ein Baustein. Ich glaube nicht, dass Hamilton und Fred Vasseur das so in die Wege leiten, dass Lewis gewinnen kann. Jedenfalls nicht dieses Jahr. Nächstes Jahr ist mit den neuen Motoren ja eh alles anders, das ist schwer vorhersehbar.

Michael Schumacher aber war immer ein großer Motivator, der jeden in der Scuderia kannte und die Truppe so richtig hinter sich brachte. Das wirkt bei Hamilton ganz anders. Hat der Engländer die Seele Italiens noch nicht verstanden?

Richtig, das war Schumacher, aber das waren Alonso und Vettel auch. Beide sind gescheitert, obwohl sie Motivatoren waren. Kann Hamilton das, hat er Italien verstanden? Im Leben nicht! Er ist in Hollywood, in Los Angeles, London und Monaco unterwegs und zuhause. Dass er weiß, was da in und um Maranello abgeht, glaube ich nicht. Ich weiß sehr wohl, dass er sich eingebracht hat und einbringt in den Meetings. Man kann aber aus einem italienischen Rennstall Ferrari keinen englischen Rennstall wie Mercedes machen. Deswegen glaube ich, dass sein Input gerne zur Kenntnis genommen wird, im Ergebnis aber überschaubar bleibt.

Immerhin wohnt er aber auch in Mailand …

.. (lacht) Stimmt, Mailand liegt auf derselben Höhe wie Maranello – ist aber viel weiter im Westen.

Schauen wir auf das anstehende Rennen: Grand Prix der Niederlande in Zandvoort, eine spezielle Streckencharakteristik. Was erwartest du in den Dünen in Sachen Kräfteverhältnis?

Ich denke nicht, dass sich viel ändert. Ich werde mir die Autos vor Ort ganz genau anschauen, was es für Updates gab. Vielleicht kommen ein paar Schauer. Eine Wundertüte gibt es immer, die heißt Red Bull. Da kann aus der Box immer mal was rausfahren, was funktioniert. Es dürfte sich aber nicht viel ändern. Ich sehe Mercedes wieder auf Augenhöhe mit Ferrari, vielleicht sogar davor.

Also argumentativ oder technisch-fundiert keine große Hoffnung für unsere holländischen Nachbarn, dass Max im Oranje-Meer einen Heimsieg feiert?

Ich bin kein Kaffeesatzleser. Ich bleibe dabei: Verstappen ist extraklasse und nie zu unterschätzen. Heimkulisse ist schön, wenn man geliebt wird, hilft aber nicht, wenn das Auto nicht läuft. Ich freue mich drauf. Aber nur weil alle ein oranges T-Shirt tragen, hat er keine besseren Chancen. Das schaut super aus im Fernsehen und ist auch toll vor Ort.

Video:

Was ist von der restlichen Saison noch zu erwarten – siehst du grobe Trends, einen Ferrari- oder Mercedes-Aufschwung zum Beispiel? Oder geht alles weiter wie bisher?

Ich sage, es geht weiter wie bisher.

Was ist von den Rookies zu erwarten: Kommt von Kimi Antonelli noch was? Wer wird Rookie des Jahres?

Nein, Rookie-Sieger ist ganz klar Gabriel Bortoleto, auch vor Isack Hadjar. Er ist unglaublich schnell, intelligent, lernt rasch dazu, verbessert sich. Ein ganz Großer, der im Kommen ist.

Der mit Nico Hülkenberg einen starken Sauber-Kollegen hat, bei dem er sich das ein oder andere abschauen kann. Steile These: Hülkenberg schafft es 2025 nochmal aufs Podest …

(lacht) Warum nicht?

Was passiert bei Red Bull: Muss Yuki Tsunoda am Jahresende gehen und wer wird sein Nachfolger?

Tsunoda fliegt hundertprozentig. Wer zweiter Fahrer wird, da drehen sich zurzeit die wildesten Gerüchte um Alex Palou, der in den USA in der IndyCar-Serie fährt. Den würde ich einfach mal reinhocken, weil es einfach super ist. Oder Paulou zu den Racing Bulls, wenn Hadjar zu Red Bull geht. Aber will Hadjar das? Ich glaube nicht. Red Bull muss also überlegen, wo die Reise hin gehen soll. Im Gegensatz zu den anderen Top-Cockpits ist das von Red Bull nicht sehr beliebt, weil es dank Verstappen zu einem Karriere-Killer geworden ist. Ich würde mich am meisten freuen, wenn Palou es macht, weil er echt gut ist. Ob er gut genug für die Formel 1 ist? Das wäre schön, wenn wir das herausfinden.

Sehr gut gealtert ist bisher dein Tipp vom Jahresanfang, dass Oscar Piastri Weltmeister wird. Bleibst du dabei?

Dabei bleibe ich.


Zur Person:

Christian Danner (67) schaffte 1985 mit dem Gewinn der Formel-3000-Europameisterschaft den Sprung in die Formel 1. Bis 1989 fuhr er in der Königsklasse für mehrere kleine Teams und errang bei 36 Grand-Prix-Starts vier WM-Punkte. Danach fuhr er in der US-amerikanischen IndyCar-Serie und avancierte zum ersten deutsche Rennfahrer, der in Formel 1 und IndyCar Punkte holte. In der DTM gewann Danner zwischen 1988 und 1996 fünf Rennen, 1997 zog er sich aus dem Motorsport zurück. Von 1998 bis heute kommentiert der Bayer an der Seite von Heiko Waßer die Formel 1 bei RTL. Danner arbeitet als TV-Experte und Fahrsicherheitstrainer. Folgt Christian Danner auf Instagram.

Fahrerwertung

#FahrerTeamPunkte
1GroßbritannienLando NorrisMcLaren357
2AustralienOscar PiastriMcLaren356
3NiederlandeMax VerstappenRed Bull Racing321
4GroßbritannienGeorge RussellMercedes AMG F1 Team258
5MonacoCharles LeclercFerrari210

Niederlande GP 2025

1AustralienOscar Piastri1:38:29.849h
2NiederlandeMax Verstappen+1.271s
3FrankreichIsack Hadjar+3.233s
4GroßbritannienGeorge Russell+5.654s
5ThailandAlex Albon+6.327s

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