MotoGP-Rookie Somkiat Chantra kämpft um den Anschluss - Crewchief Klaus Nöhles schildert, warum der Thailänder trotz Potenzial bislang kaum Fortschritte macht.
Somkiat Chantra (LCR-Honda) war in der ersten MotoGP-Saisonhälfte 2025 nicht nur der langsamste Rookie, sondern auch der langsamste Stammfahrer. Lediglich in Assen sammelte der Thailänder einen WM-Punkt, weil ihn Honda-Kollege Aleix Espargaro am Ende vorbeiließ.
Außerdem konnte Chantra auch nicht alle Rennwochenenden bestreiten. Nach einer Operation, um Armpump-Probleme zu lindern, musste er Le Mans auslassen. Nach einer Knieverletzung fehlte er zuletzt auf dem Sachsenring und in Brünn und wird wahrscheinlich noch länger pausieren.
Es stellt sich die Frage, warum Chantra so große Mühe hat, sich in der MotoGP einzuleben und konkurrenzfähig zu sein. Mit Klaus Nöhles hat Chantra einen ehemaligen Rennfahrer als Crewchief an seiner Seite. Der Deutsche bestritt 53 Grands Prix in der 125er- und in der 250er-Klasse.
Im November 2024, beim Test nach dem Saisonfinale in Barcelona, stieg Chantra erstmals auf die RC213V. Da wurde Nöhles bewusst, dass es kein einfaches Unterfangen werden würde. "Wir waren erstmal weit weg. Weiter weg, als ich mir eigentlich gewünscht hätte."
"Somkiat Chantra fährt noch immer ein bisschen im Moto2-Stil"
"Er hat sich schwerer getan, als ich mir erhofft habe. Ich muss dann sagen, dass wir beim Wintertest in Sepang, beim Thailand-Test und auch beim ersten Rennen, eine sehr gute Lernkurve gesehen haben", blickt Nöhles im Gespräch mit Motorsport-Total.com zurück.
"Und er hat, ich will fast sagen, den Anschluss geschafft - von einfach viel zu weit weg, auf dass er dann da war. Er hat sich gut gesteigert. Aber von dem Moment an gab es nur noch sehr kleine Schritte, bis hin zu mittleren Rückschritten."
Honda und das LCR-Team versuchen alles, um Chantra zu unterstützen und zu helfen. In Assen konnte er zum Beispiel Espargaro im Rennen folgen. Außerdem weilte Takaaki Nakagami in der Box, und versuchte mit seiner Erfahrung das richtige Feedback zu geben.
"Er hat den Speed", betont der Japaner, "aber in manchen Bereichen fehlt ihm noch etwas - er fährt noch immer ein bisschen im Moto2-Stil. Ich denke, er versteht, dass er sich komplett auf den MotoGP-Stil umstellen muss, aber in einigen Bereichen reicht es noch nicht."
"Zum Beispiel enge Kurven, aber auch beim Richtungswechsel. Das Timing stimmt nicht. Vielleicht fährt er mit zu viel Speed in die Kurve hinein und verpasst dann den Kurvenausgang. In der MotoGP ist es extrem wichtig, wie man das Motorrad aufrichtet und den Speed mitnimmt."
"Auch beim Richtungswechsel reagiert er zu spät. Und genau in diesem Bereich verliert er Rundenzeit. Das hängt mit dem Fahrstil zusammen. Aber er hat den Speed. Es sind nur Kleinigkeiten, bei denen er zulegen kann, und damit auch seine Rundenzeit verbessert."
Diese Eindrücke von Nakagami kann Crewchief Nöhles nur bestätigen: "Somkiat ist in gewissen Bereichen unheimlich stark, aber einfach auf die falsche Art und Weise. Gerade wenn man das Thema Bremsen anspricht, er bremst härter, später als fast jeder andere."
In Assen hat Somkiat Chantra viel gesehen
In Assen, dem bislang letzten Rennwochenende von Chantra, hat man sich genau auf diese Bereiche konzentriert, damit er sich auf der Bremse etwas zurückhält, den richtigen Einlenkpunkt findet, um am Kurvenausgang optimaler positioniert zu sein, um das Motorrad früh aufzurichten.
"Das sind so Sachen, die wir eigentlich schon das ganze Jahr über besprechen, ihm zu zeigen. Aber er hat scheinbar in Assen beim Hinterherfahren von Aleix das erste Mal gemerkt: 'Hey, warte mal, okay, es funktioniert.' Und die Rundenzeiten kommen viel leichter."
"Manche Fahrer stellen sich schnell um und probieren gerne aus. Aber bei ihm muss man sagen, dass halt jetzt gerade eine gewisse Phase da war, wo er sich nicht mehr viel angepasst hat. Oder er seinen Stil versucht hat durchzudrücken, noch mehr mit seinen Vorlieben zu arbeiten."
"Aber MotoGP ist anders. Und da, glaube ich, liegt hauptsächlich der Hund begraben", glaubt Nöhles. "Wenn die Kurve seinem Fahrstil entgegenkommt oder die Beschleunigungskombination, kann der Bursche dasselbe wie die anderen, teilweise sogar ein bisschen mehr."
"Aber dann, wenn es halt darum geht, andere Fahrstile anzupassen, da tut er sich schwer. Ich muss sagen, er ist definitiv in den letzten drei, vier Rennen nicht mehr wirklich frei vom Kopf her. Nicht so frei, wie er gerade am Anfang der Saison war, wo er einfach zugehört hat."
"Er hat Sachen angenommen, was jetzt zum Schluss wahrscheinlich durch äußeren Druck oder auch einfach von ihm selbst, dass er einfach merkte, er muss jetzt den nächsten Schritt machen, nicht mehr so war."
"Wir müssen jetzt einfach mindestens den Anschluss schaffen. Und das ist ihm jetzt einmal, zweimal, dreimal nicht gelungen, da noch einen weiteren Schritt zu machen." Assen schien durch das Feedback von Nakagami und die Runden mit Espargaro dieser Schritt nach vorne zu sein.
Dass sich Chantra wenige Tage danach beim Offroad-Training die Knieverletzung zugezogen hat, war doppelt bitter. "Ja, es hat mich auch schwer getroffen, als ich das gehört habe", seufzt Nöhles. Denn die Rennpause dauert länger als ursprünglich angenommen.
"Ich will [von Assen] nicht von einem Durchbruch reden, weil letzten Endes ist unser Ziel, nicht den Testfahrer zu besiegen, sondern wir wollen gegen die aktiven Grand-Prix-Fahrer kämpfen. Und da waren immer noch leider 18 bis 20 Sekunden Abstand zum ersten Grand Prix-Fahrer vor uns."
Team hält trotz ausbleibender Resultate die Motivation hoch
Im LCR-Team sorgte bisher Johann Zarco mit seinem Sieg in Le Mans und mit Platz zwei in Silverstone für Jubel. Die andere Seite der Box rund um Chantra konnte sich bisher nicht über große Highlights freuen.
Wie schwierig ist es, die Motivation in der Mannschaft hochzuhalten? "Auch für mich ist es extrem schwer, mit den Resultaten zu leben, aber für mich ist es genauso wichtig, einfach gerade in so Phasen, egal wie lange die andauern, einfach das Level oben zu halten", betont Nöhles.
"Auch wenn wir hinterherfahren, arbeiten wir trotzdem in der Königsklasse. Wir haben alle unsere Erfahrung und für mich gibt es hier einfach kein Motivationsproblem. Das darf es nicht geben. Auch wenn natürlich die Niederschläge da sind, die Hürden da sind."
"Ich versuche jedes Mal für mich und für die Mannschaft, dass wir nach Hause gehen und dass wir einfach sagen können, wir haben für uns persönlich das Beste gegeben. Dass wir in jeder Situation vorbereitet sind, wir da sind, wir keine Fehler machen."
"Und ich muss sagen, da arbeiten wir nach wie vor fehlerfrei. Das ist für mich super wichtig. Auch wissentlich natürlich, dass es für uns alle super hart ist. Wenn auch kleine Fehler passieren, diese einfach so zu behandeln, als würde es um den WM-Titel gehen. Wir sind alle Menschen, Fehler können passieren, aber dürfen kein zweites Mal passieren."
Wann Chantra zurückkehren wird, ist derzeit offen. Er wird aller Voraussicht nach auch die August-Rennen in Österreich und Ungarn pausieren. Aufgrund der Erfolglosigkeit steht bei Honda und Idemitsu das Gesamtprojekt des zweiten LCR-Motorrads auf dem Prüfstand und könnte für das nächste Jahr verändert werden.
