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Box-Premiere in Heidelberg

Schmeichelhafter Zachenhuber-Sieg reißt Abraham vom Hocker

Simon Zachenhuber musste in Heidelberg schwer schuften, ehe er einen umstrittenen Punktiseg verbuchte
Simon Zachenhuber musste in Heidelberg schwer schuften, ehe er einen umstrittenen Punktiseg verbuchte
Foto: © IMAGO/Max Mester
20. Juli 2025, 15:25

Während sich Oleksandr Usyk in London mit einem linken Götterhammer zum unumstrittenen Weltmeister im Schwergewicht krönt, fliegen auch im Badnerland die Fäuste. Ein neuer Veranstalter aus Heidelberg will das deutsche Boxen wiederbeleben. Bei der Premiere ist schonmal viel Glanz abseits des Rings. Der heimliche Hauptkampf reißt sogar Ex-Champion Arthur Abraham vom Hocker. Leider bleibt ein "G'schmäckle".

Irgendwann in der dritten Runde hielt es Arthur Abraham nicht mehr auf dem Stuhl in der ersten Reihe des SNP Dome in Heidelberg. "König Arthur" ging aus dem Sattel, eilte zum Ring und rief Kommandos, als wäre er Trainer, nicht Zuschauer. "Schnell rein und raus, Simon!" "Dreierkombinationen schlagen!" Die Ansagen galten Simon Zachenhuber.

Der Bayer lieferte sich im Supermittelgewicht ein erbittertes Duell mit Paulinus Ndjolominu aus Namibia – und musste mächtig einstecken. Immer wieder erschütterte Ndjolominu den Deutschen mit harten Haken, traf Zachenhuber zudem schon in Runde zwei mit einem schmerzhaften Tiefschlag.

Krisenmomente, die der 27-Jährige so noch nicht gewohnt war, bisher hatte Zachenhuber ausschließlich Gegner aus der dritten, vierten Reihe vor den Fäusten gehabt. Ndjolominu, Nummer vier in der Weltrangliste des Verbandes WBO, mit der Empfehlung von 17. K.o.-Erfolgen in 19 Kämpfen an den Neckar gereist, wurde von Zachenhubers Management als erster echter Härtetest verpflichtet – als Standortbestimmung und Sprungbrett, um im WBO-Ranking zu klettern.

Samstagsabend-Fazit: Zur Weltspitze im Limit bis 76,2 Kilogramm ist es für Zachenhuber, der spät und ohne Amateur-Schule zum Preisboxen kam, noch ein sehr weiter Weg, WBO-Rangliste hin oder her. Gewiss: Der frühere Teilnehmer der RTL-Show "Let's Dance" begeisterte die 5.000 Zuschauer mit seinem Kämpferherz, ging dahin, wo es wehtut, und zeigte über die zehn angesetzten Runden eine beeindruckende Kondition.

Aber: Ndjolominu trieb Zachenhuber bedenklich oft in den Grenzbereich, verletzte die Grenzen des Regelwerks mit wiederholten Tiefschlägen allerdings auch immer wieder. Der Ringrichter zog dem 37-Jährigen für die Hiebe unterhalb der Gürtellinie zwei Punkte ab. Für Zachenhuber rückte so eingedenk des im Preisboxen leider oft beschworenen "Heimvorteils" wenigstens ein Remis in Reichweite, zumal er einen starken Schluss-Spurt hinlegte.

Boxen: Emanuel Odiase gewinnt in einseitigem Kampf BDB-Titel

Umso überraschender das Urteil des Kampfgerichts, das Ringsprecher Ronny Leber wenig später verlas. Zwei Punktrichter werteten, als habe Zachenhuber den Kampf in Heidelberg eindeutig dominiert: 99:92 und 97:91. Auf dem Punktzettel des dritten Jurors hätte Ndjolominu ohne die Punktabzüge gewonnen, 94:94 stand so zu Buche. Macht einen Sieg nach Mehrheitsentscheid für Zachenhuber. Es war sein 28. Sieg im 28. Profikampf.

Der sympathische Zachenhuber kann für die dubiosen Wertungen natürlich nichts. "Jetzt feiert's erstmal g'scheit", rief er den Zuschauern und seinem "Matador"-Fanclub aus Erding zu.  

Heidelberg feierte wenig später Lokalmatador Emanuel Odiase. Der 2,03-Meter-Hüne besiegte im Hauptkampf des Abends den Bosnier Srdan Govedarica in Runde sechs durch Technischen K.o. Odiase feierte im achten Profikampf den achten Sieg und gewann den "Internationalen" Deutschen Meistertitel des Bundes deutscher Berufsboxer (BDB).

Emanuel Odiase hat den ersten Gürtel seiner Karriere sicher - und verfolgt große Ziele
Emanuel Odiase hat den ersten Gürtel seiner Karriere sicher - und verfolgt große Ziele

Der "Heidelberg Hammer", der schon mit Superstars wie Anthony Joshua und Deontay Wilder trainierte, dominierte jede Runde des einseitigen Kampfes gegen den als Aufbaugegner verpflichteten Govedarica. Keine Fragen.

Ringside Zone will das deutsche Boxen wieder erstrahlen lassen

Das geradezu absurde Punkturteil zugunsten Zachenhubers passte indes nicht zur Qualität der Show, die der Veranstalter Ringside Zone im SNP Dome auf die Beine gestellt hatte. Man wolle ein neues Kapitel deutscher Boxgeschichte aufschlagen, kündigte Geschäftsführer Florian Winter im Vorfeld an. Der Glanz früherer Tage solle wieder erblühen.

Abseits des Rings gelang Winter und seinem Team dabei ein 'Punktsieg'. Neben einstigen Boxgrößen wie Abraham oder Luan Krasniqi tummelten sich Stars aus Sport und Unterhaltung in Reihe eins.

Nationaltorwart Oliver Baumann schaute aufmerksam zu, Olympiasiegerin Franziska van Almsick, Showmaster Florian Silbereisen und Comedian Mario Barth auch. Aus England war der aufstrebende Halbschwergewichts-Boxer Ben Whittaker angereist. Durch den Abend führte RTL-Legende Kai Ebel.

Die Zuschauer bekamen neben dem Profidebüt von Nelvie Tiafack, Bronzemedaillengewinner von Paris, mehrere ausgeglichene, ehrliche Preiskämpfe geboten. Dazwischen gab es von Rapper Shindy und dem früheren Deutschland-sucht-den-Superstar-Kandidat Ardian Bujuoi 'was auf die Ohren'.

Video:

Boxen, Show, Charity und Netzwerken 

Winter, der aus der Immobilien-Branche kommt, will mit seinem Ringside-Zone-Team vieles anders machen als die alteingesessenen Veranstalter und Box-Promoter aus Deutschland.

"Viele Boxabende in Deutschland finden im Schwummerlicht statt, die Kämpfe und das Programm ziehen sich hin", sagte er vor dem Boxabend zu sport.de. Dieses Schema wolle er mit Ringside Zone aufbrechen. Boxen und Show, dazu erstklassige Ton- und Lichttechnik. "Das ist schon Champions League", lobte RTL-Veteran Ebel, der in seiner Reporterkarriere schon viele Hallen gesehen hat, das Ambiente.

Boxen, Show, Charity und Netzwerken – auf diesen Säulen fußt das Projekt der Ringside Zone. In Heidelberg trafen sich rund um das Event Macher und Unternehmer aus der Wirtschaft. "Mit dieser Aussicht aufs Netzwerken haben wir es letztlich geschafft, Sponsoren zu gewinnen", erläuterte Winter. Sogar Autoriese Aston Martin ließ ein schwarzes Sportauto vorfahren.

Mit der "Klitschko Foundation" von Box-Ikone Wladimir Klitschko und dem von Dietmar Hopp mitbegründeten "Anpfiff ins Leben" sind zwei Wohltätigkeitsorganisationen an Bord. "Es ist uns ganz wichtig, hier etwas zurückgeben zu können", sagte Winter.

Ein weiteres Ziel der Heidelberger: das Boxen "digitaler" machen. Am Rande des Box-Events stellte das heimische Unternehmen Flexoo Boxhandschuhe und eine Bodenmatte mit Sensoren vor, um Schlagkraft und Beinarbeit eines Boxers zu messen. Aus einem potenziell riesigen Daten-Ozean könne man dem Zuschauer viele spannende Zusatzinformationen servieren. Mit wie viel Kilogramm schlägt die Faust am Kopf ein, wie genau schlägt sie ein, wie bewegt sich der Boxer, wie verlagert er sein Gewicht?

Odiase soll "Michael Schumacher des Boxens" werden 

Zukunftsmusik. Erst einmal will Ringside Zone dauerhaft Fuß fassen. Zur "Galionsfigur" haben die Heidelberger Emanuel Odiase auserkoren. Der soll zum "Michael Schumacher des deutschen Boxens" werden, wie es Winter ausdrückte. Schon für 2027 peile man einen Kampf um die Weltmeisterschaft an. Forsche Töne und ein hochambitioniertes Ziel, das kaum zu halten sein wird. Vielversprechend mutet gleichwohl an, was Winter und sein Team "mittelfristig" vorhaben.

"Wir verstehen uns nicht als klassischer Promoter, der feste Verträge mit Boxern hat. Mit Ausnahme von Emanuel, den wir auch managen. Wir wollen eine Plattform für das deutsche Boxen und für junge Kämpfer sein. Idealerweise entwickeln wir eine Community, in der die Fans dann auch ein Wörtchen mitreden, wer gegen wen kämpfen soll", skizzierte Winter.

In gewisser Weise sei das Mixed Martial Arts mit Organisationen wie der UFC in den USA oder Oktagon in Europa diesbezüglich ein Vorbild. Winter sieht in Deutschland großes Potenzial für den Boxsport. Eine potenzielle Zuschauergruppe von 20 Millionen habe man in einer Analyse ausgemacht, sagte er.

Ringside Zone möchte die junge Generation der sozialen Medien und Influencer, der Twitch- und Tik-Tok-Streams mit den älteren Zuschauern 'versöhnen', die schon für Henry Maske und die Klitschko-Brüder die klassische Glotze anmachte.

Gute "Lokal"-Kämpfe könnten der Weg sein

Nimmt man die Ringside-Zone-Macher beim Wort, bieten sich "Local Fights" an, die dem deutschen Boxen guttun würden. Warum nicht Odiase gegen den deutschen Meister Viktor Jurk aus dem hohen Norden (24 Jahre, 2,05 Meter)?

Zu Amateur-Zeiten duellierten sich die Talente schon, warum nicht jetzt bei den Profis? Flensburg gegen Heidelberg – eine deutsche Meisterschaft im Schwergewicht, die diesen Namen auch verdient. Der Box-Boom in Großbritannien nahm auch dank guter Kämpfe auf nationaler Ebene seinen Lauf, Fans des Faustkampfes, die sich zwischenzeitlich abgewendet hatten, wurde zurückgewonnen.

Ein "Proof of Concept" sollte die Premiere in Heidelberg sein, sagte Ringside-Zone-Chef Winter vor dem Gong. Der Abend ließ sich durchaus sehen, die Halle war voll, die Zuschauer gingen zufrieden nach Hause. Nun muss der neue Player auf dem deutschen Boxmarkt beweisen, dass er auch in anderen Städten Tickets verkaufen, Fans und Medienpartner überzeugen kann.

Dubiose Punkurteile, die im deutschen Boxen leider eine unselige Tradition und viele Zuschauer abgeschreckt haben, sollten dann allerdings Geschichte sein.

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