Nicht nur auf der Strecke wird das MotoGP-Comeback von Jorge Martin mit großer Spannung erwartet. Schon am Mediendonnerstag in Brünn war ihm die Aufmerksamkeit garantiert. Der Spanier trat zum ersten Mal nach monatelanger Verletzungspause und dem Vertragsstreit mit Aprilia vor die Presse.
Und Martin fackelte nicht lange: Der amtierende MotoGP-Weltmeister bestätigte direkt, dass er auch 2026 bei Aprilia bleiben wird. Eine Kehrtwende, die sich zuletzt bereits andeutete, nachdem der Spanier noch vor wenigen Wochen mit einem Wechsel geliebäugelt und sich offen mit dem Team überworfen hatte.
Die Krise mit Aprilia: Streit, Zweifel und die Wende
"Ich möchte ein bisschen alles erklären, was passiert ist", beginnt Martin die Erklärung seines Sinneswandels ruhig, aber bestimmt. Nach einer Reihe von Verletzungen - erst leichter, dann zunehmend schwerwiegender - habe er an vielem zu zweifeln begonnen: an seiner Zukunft, an sich selbst, am Team.
"Zu diesem Zeitpunkt musste ich eine Entscheidung über meine Zukunft treffen", sagt er. Diese Entscheidung lag zwischen zwei Optionen: ein paar weitere Rennen mit Aprilia zu fahren oder eine vertraglich vereinbarte Ausstiegsklausel zu aktivieren.
"Ich konnte das Motorrad nicht testen. Ich wollte es spüren, ich wollte es verstehen, nicht nur über die Resultate anderer Fahrer, sondern selbst. Diese Gelegenheit hatte ich nicht." Aprilia jedoch erkannte die Klausel nicht an. "Ich respektiere das. Sie haben für ihre Rechte gekämpft, so wie ich für meine", erklärt Martin.
Es entwickelte sich ein Konflikt, der letztlich in einer gerichtlichen Auseinandersetzung hätte enden können. Martin gibt offen zu, dass er bereit gewesen wäre, weiterzukämpfen, doch dann habe er die Entscheidung getroffen, bei Aprilia zu bleiben, "weil man im Leben manchmal Entscheidungen treffen muss".
Der Wendepunkt? Eine Mischung aus vielen Faktoren: "Ich wollte nicht zurückkommen und noch mit Aprilia im Streit liegen. Ich brauchte einen klaren Kopf. Ich wollte das vor Brünn abschließen", so der 27-Jährige. Zudem habe ihn die Entwicklung der RS-GP überzeugt. "Ich habe gesehen, wie Marco [Bezzecchi] fährt. Ich habe den Fortschritt gesehen. Ich bin nicht dumm, ich sehe das Potenzial."
Sein Entschluss, zu bleiben, sei also kein Zeichen von Resignation, sondern von Überzeugung - auch davon, dass sich die Risse, die in der Beziehung zu Aprilia entstanden sind, wieder kitten lassen. Schließlich hätten beiden Seiten trotz der öffentlich geführten Differenzen stets gegenseitigen Respekt bewahrt.
Wie eine Beziehung mit Höhen und Tiefen
Die Beziehung zu Aprilia beschreibt Martin wie eine Achterbahnfahrt: "Man kann sich verlieben, dann gibt es Kämpfe, aber wenn man sich wirklich mag, arbeitet man am Ende zusammen weiter." Jetzt sei es an der Zeit, gemeinsam etwas Neues aufzubauen, "weil wir beide gewinnen wollen", betont der Spanier.
Auf die Frage, ob es nicht schwierig sei, nach allem wieder ein gutes Verhältnis im Team aufzubauen, räumt er ein: "Sicher, da ist eine gewisse Spannung, wenn man in dieser Situation ins Paddock zurückkehrt. Aber letzten Endes ist das Wichtigste zwischen einem Fahrer und dem Team die Kommunikation."
Eine Entschuldigung gegenüber der Crew hielt Martin zwar nicht für nötig: "Ich habe getan, was ich in dem Moment für meine Karriere als das Beste hielt." Gleichwohl betont er gleich mehrfach, wie wichtig ihm die familiäre Atmosphäre im Team sei. "Wenn jemand etwas sagen will, ich bin offen für jedes Gespräch. Und wenn ich etwas falsch gemacht habe, bin ich bereit, das wieder gutzumachen."
Er habe mit dem Team gesprochen, auch mit Massimo Rivola. "Wir sind zusammen in diesem Projekt. Es wird nicht von heute auf morgen perfekt, aber wir arbeiten daran."
Nach Sturz in Katar: "Kann ich je wieder MotoGP fahren?"
Neben dem sportlich-politischen Aspekt seines Comebacks ging Martin am Donnerstag auch ausführlich auf seine gesundheitliche Lage ein und sprach offen wie nie über die Schwere seiner Verletzungen, die er sich beim Katar-Grand-Prix zuzog.
"Ich hatte zwölf gebrochene Rippen, konnte eine Woche lang nicht schlafen. Ich lag vier Tage auf der Intensivstation in Katar. Es war wirklich schlimm", erzählt er. Doch der körperliche Schmerz war nur das eine, viel schwerer wog die mentale Belastung.
"Ich habe an allem gezweifelt: Ob ich je wieder MotoGP fahren kann, ob ich je wieder schnell sein werde", erinnert sich Martin. Sogar die Frage, ob er überhaupt noch einmal auf ein Motorrad steigen können werde, stand zwischenzeitlich im Raum: "Ich wusste nicht, ob mein Körper das nochmal schafft. Ich habe wirklich alles hinterfragt, meine Karriere, meine Stärke, auch mich als Mensch."
Als er über die Zeit im Krankenhaus spricht, wird Martin sichtlich emotional. Er muss kurz innehalten und seine Tränen unterdrücken. Auch wenn er bereits seit dem vergangenen Jahr mit einem Mentalcoach zusammenarbeitet, sagt er: "Ich glaube nicht, dass man je auf das Gefühl vorbereitet ist, dem Tod nahe zu sein."
Gespräche mit seinem Vater, seiner Freundin und auch mit seinem guten Freund und Ex-Fahrerkollegen Aleix Espargaro hätten ihm geholfen, seine Gedanken neu zu ordnen.
Im Vergleich zu seinem schweren Sturz 2021 in Portimao, als er ebenfalls länger pausieren musste, sei diese Erfahrung auf einem anderen Level gewesen: "Damals war ich jünger und wollte einfach nur zurück aufs Bike. Heute denkt man viel mehr über die Karriere, die Erwartungen, das ganze mediale Umfeld nach."
Mit Blick nach vorn: Was sich Martin jetzt vornimmt
Während sich der amtierende Weltmeister von seinen Verletzungen erholte, wurde sein Name fast täglich in Medien und sozialen Netzwerken diskutiert. Öffentliche Kritik, auch von den eigenen Fans, sei dabei nicht spurlos an ihm vorbeigegangen.
"Fans sind ein zentraler Teil unseres Sports. Ohne sie wäre das alles nicht möglich. Aber ja, zu einem gewissen Grad kann ich ihre Meinung verstehen." Trotzdem sei er seinen Weg gegangen. "Ich hoffe, dass einige von ihnen zurückkommen. Aber ich versuche, die Kritik auszublenden und konzentriere mich auf mein Umfeld."
Positiv sei, dass er durch diese Erfahrung eine neue Form von Selbstvertrauen und Mut gefunden habe: "Vorher wusste ich gar nicht, wie viel Mut ich wirklich habe. Jetzt schon."
Die verbleibende MotoGP-Saison 2025 will Martin nicht als Übergangsphase sehen. Schließlich sei er körperlich wieder in bester Verfassung. "Ich brauche Stunden auf dem Bike - viele. Aber mental und physisch bin ich stärker als je zuvor", betont er.
Die Testfahrten in Misano seien vielversprechend gewesen, wenn auch noch viel Arbeit, vor allem an der Sitzposition auf der RS-GP, anstehe. Sein Ziel sei klar: "Ich bin nicht hier, um einfach nur Runden zu drehen. Ich bin hier, um zu kämpfen." Ob es schon in Brünn wieder für ein Topergebnis reicht, ließ er offen.
"Ich bin neun Monate praktisch nicht gefahren. Ich habe 6.000 Kilometer Rennpraxis verpasst. Ich muss geduldig sein." Dennoch sei die Rückkehr vor der Sommerpause entscheidend: "Wir haben noch einige Rennen. Genug Chancen für Podien, für Siege."